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Kultur: Weihnachten 2001: Es bleibt die Hoffnung

"Frohe und friedliche Weihnachten!" Blauäugig, wer dieser Tage diesen Wunsch ausspricht - angesichts des Schreckens, der uns gepackt hat.

"Frohe und friedliche Weihnachten!" Blauäugig, wer dieser Tage diesen Wunsch ausspricht - angesichts des Schreckens, der uns gepackt hat. Der uns getroffen hat wie ein Blitz - aus scheinbar heiterem Himmel. An eine heile Welt haben wir schon lange nicht mehr geglaubt. Seit gut drei Monaten wissen wir, dass auch regionale Konflikte und Bürgerkriege - Afghanistan, Irak, Nahost, Kaschmir, Kongo, Kolumbien - uns alle angehen.

In einer globalen Welt ist es auch unser Problem, wenn sich "der Moslem arm und würdelos" fühlt, wie es Pakistans Präsident Musharaf erklärt. Wir wussten zwar, dass unsere Welt ein sehr effektives und ein sehr empfindliches System ist. Seit dem 11. September wissen wir, dass einige wenige Menschen genügen, es zu zerstören.

Und dennoch: Der Schrecken des 11. September hat die Welt zusammenwachsen lassen - schneller und intensiver. Darin liegt Hoffnung. Darin liegt Zukunft. Gedanken an die Zukunft müssen uns motivieren und beflügeln, nicht ängstigen und lähmen. Wir brauchen Visionen, nicht Furcht und Angst. Wir brauchen neue Vorstellungen für unser Handeln. Und wir brauchen den mutigen Abschied von den alten Antworten. Denn die globale Welt eröffnet der Menschheit enorme Chancen - und neue Aufgaben. Wie lassen sich alle Völker und Kulturen so in die Welt-Gesellschaft integrieren, dass sie ebenbürtig und gleichberechtigt am Reichtum der Welt und an den politischen Entscheidungen teilhaben können? Wie können wir den Prozess der Globalisierung so organisieren, dass sich die ganze Welt an seiner Gestaltung beteiligen kann? Dazu brauchen wir die Absage an westliches Überlegenheitsdenken und an gewalttätiges Handeln, das sich aus dem Gefühl der Unterlegenheit legitimiert. Dazu brauchen wir Kooperation statt Konfrontation. Wir brauchen eine soziale Gerechtigkeit, die Menschen weltweit Zukunftsperspektiven gibt, statt uns hilflos vor der Not der Armutsflüchtlinge stehen zu lassen. Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das weltweit allen zugute kommt, statt aidskranke Menschen zur Migration in wohlhabende Länder zu zwingen.

Gegen Furcht und Gewalt, Armut und Untersdrückung steht die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit in unserer einen Welt. Das ist Weihnachten. Das sind Gedanken, die zu dem Fest gehören, an dem die uralte Hoffnung zum Ausdruck kommt, dass es mit der Welt nicht zu Ende ist. Gedanken und Hoffnungen, die uns wünschen lassen: "Frohe und friedliche Weihnachten."

Nachdenken Angela Merkel, CDU

Weihnachten ist für mich das Fest der Geburt Jesu. Aus meiner Kindheit kenne ich sehr viele Weihnachtslieder. Krippe. Ochs, Esel, Engel - gemeinsames Singen und das Nachdenken über die Kräfte und Fehler von uns Menschen, das ist für mich mit Weihnachten verbunden.

Zeit nehmen Guido Westerwelle, FDP

Weihnachten nehme ich mir Zeit. Das ist das Schönste!

Aus Liebe Claudia Roth, Grüne

Weil ich an die Liebe glaube: An die Liebe zu Menschen, die mir alles bedeuten; an die Liebe zu Vertrautem, das mir Sicherheit und Geborgenheit gibt; an die Liebe, an das Erinnern, als Voraussetzung, Zukunft denken zu können.

Weihnachten: für mich Vergegenwärtigung dessen, was wirklich wichtig ist in einem Leben, in dem so viel Unwichtiges so schrecklich bedeutend zu sein scheint. Weihnachten ist das Symbol eines Lebens jenseits der großen Alltagspolitik, die plötzlich ganz klein, also in der richtigen Dimension erscheint.

Weihnachten ist der Heilige Abend mit dem lieb gewonnenen absolut unumstößlichen, unverzichtbaren Ritual, bei dem ich noch nie in 46 Jahren gefehlt habe! Der strahlende Raum mit dem knisternden Holz im Kamin ist "erfüllt" von den Frauen und Männern, jungen und alten der Großfamilien, von weit angereisten Freunden und Freundinnen aus anderen Zeiten, von den Lieben, die im Himmel oder wo auch immer sind. Das gemeinsame Lesen der Weihnachtsgeschichte und das Denken an Menschen auf der Flucht.

Spätabends, wenn wie "früher" dicke Schneeflocken die Welt um mich herum eisig kalt verzuckert haben, kommt der leise Besuch bei meinem Vater auf dem Friedhof - "still und starr ruht der See". Und ich erzähle ihm, wie er mir gerade jetzt fehlt.

Manchmal - ganz spät - feiern wir danach Christmette in einer kleinen Dorfkirche.

Weihnachten, das ist Heimat, Liebe, Gefühl, Sehnsucht, Kitsch, Traum und viel Wirklichkeit mit allem Stress und Chaos, die unbedingt dazugehören.

Tiefe Sehnsucht Peter Struck, SPD

Ruhe, kein Telefon, keine Hektik. Zeit für die Familie. Freude auf meine Enkelkinder - auf die staunenden Gesichter von Ada und Anton. Übertriebener Weihnachtskitsch ist nicht mein Ding. Auch nicht im Sinne überhöhter Erwartungen an das Fest des Friedens. Dennoch, gerade in diesem Jahr steht Weihnachten für die tiefe Sehnsucht der Menschen nach Frieden. Im Nahen Osten, auf dem Balkan, in Afghanistan. Hautnah haben wir am 11. September erfahren müssen, wie brüchig dieser Frieden ist. Ihn zu erhalten, ihn wieder herzustellen, hat schmerzlicher, aber notwendiger Entscheidungen für uns Politiker bedurft.

Kein Selbstmitleid! Nur der leise Einwurf: Die Entscheidungen, die wir treffen mussten, sind keinem von uns in den Kleidern stecken geblieben. Weihnachten 2001, kein Grund für übertriebene Illusionen, sondern Chance zum Durchatmen. Für uns - und hoffentlich für alle, die guten willens sind.

Stören verboten Roland Claus, PDS

Weihnachten ist für mich, was es für so viele andere Menschen auch ist: ein Fest der Besinnlichkeit, der Familie, der Begegnung mit Freunden. Ich feiere es gern zu Hause, mag die friedliche Atmosphäre der langen Abende, auch die Romantik aus Tannengrün und Kerzenlicht sowie die Wiederentdeckung des Ausschlafens. Störungen sind dabei höchst unwillkommen, und das merken die Störer mir auch an. Natürlich gehören die geheimnisvollen Stunden am Heiligabend den Enkeln.

Die Weihnachtstage sind wunderbar geeignet für die Rückschau auf das vergangene Jahr und das Atemschöpfen fürs neue. In der Politik sowohl als natürlich auch im ganz Privaten. Selten sonst gelingen so gelöste Spaziergänge. Und damit das typische Weihnachtsessen nicht zu sehr anschlägt, gehört eine Wanderung im nahe gelegenen Harz zum festen Ritual, wenn möglich auch per Ski.

Ich will es nicht verhehlen: In diesem Jahr beschäftigt mich die Friedensfrage auf besonders intensive Weise. Ich sehe heute so wenig wie im September oder Oktober des zu Ende gehenden Jahres, dass Krieg die richtige Antwort auf den Terrorismus sein könnte. Ich will mich nicht damit abfinden, dass Krieg wieder zur Normalität wird. Auch das ist für mich Weihnachten.

Ein neuer Anfang Wolfgang Schäuble, CDU

Weihnachten und Stress - das scheint fast zum Synonym geworden zu sein. Ob das Wetter schuld ist? Früher hatten wir an den Weihnachtstagen meistens Schnee, und von Schnee geht im Zweifel eine beruhigende Wirkung auf das öffentliche Leben und Treiben aus. Ein Anti-Stress-Programm gewissermaßen.

Der frische Schnee versinnbildlicht den Neuanfang, und das ist der Kern der frohen Botschaft, die die Weihnachtsgeschichte zumindest für uns Christen enthält: Frieden auf Erden. In diesem Jahr machen die Meteorologen uns Hoffnung auf weiße Weihnachten. Aber Frieden wird nicht sein, in Afghanistan nicht und im Nahen Osten leider auch nicht. Und dennoch kann Frieden sein, in jedem Einzelnen. So habe ich Weihnachten immer empfunden. Stille und Zeit haben, für sich selbst und für die Familie. Keine Termine, keine Hektik, einfach zur Ruhe kommen. Daraus entsteht Abstand, und so wird Frieden.

Der Einschnitt, der sich so in unserer schnelllebigen Zeit bildet, wird zum neuen Anfang. Und das ist für mich Weihnachten, mit oder zur Not auch ohne Schnee, in jedem Fall aber ohne den Schnee von gestern.

Rückkehr zum Wertekanon Edmund Stoiber, CSU

Wenn man Umfragen glauben darf, gewinnt das Weihnachtsfest bei den Deutschen wieder mehr an Tiefe, an Nachdenklichkeit, an religiösem Gehalt. Die Menschen erkennen zunehmend, dass gut leben allein nicht genügt. Es kommt auch darauf an, gut miteinander und füreinander zu leben. Für ein gedeihliches Zusammenleben ist ein Wertekanon, ein gemeinsames Wertefundament unerlässlich. Das christliche Menschenbild bleibt dafür die Richtschnur, die Frohe Botschaft, die von Christi Geburt ausgeht. Nach seiner Geburt, das ist nicht nur der Beginn unserer Zeitrechnung und Zeitenfolge, sondern der Beginn einer Nachfolge.

Auf diesem Weg sind die Menschen über die Jahrhunderte suchend, tastend, manchmal irrend immer weitergegangen. Christi Geburt hat die Richtschnur für Gut und Böse, den Maßstab des Lebens für immer festgelegt in einer geweihten Nacht.

Tempowechsel Franz Müntefering, SPD

Das größte Geschenk zu Weihnachten für mich ist auch die Zeit, die man verfügbar hat, für sich und die anderen und gemeinsam. Und Weihnachten hat für mich immer Vorspiel und Nachspiel bis zum Neujahr. Diese letzte Woche des Jahres mache ich gerne Tempowechsel, der Akku lädt sich dabei prächtig auf. Um Weihnachten werden schöne Erinnerungen wach. Das Steckenpferd, das ich 1944 bekam, vergesse ich nie. Aber zu Neujahr bin ich auch längst wieder bei morgen.

Besinnung Jürgen W. Möllemann, FDP

Weihnachten ist für mich eine Zeit der Besinnung. Wir konzentrieren uns dann ganz auf die Familie. Auch die Menschen brauchen einmal Ruhe vor der Politik - gerade im Wahljahr. In diesem Jahr verbinde ich das Friedensfest aber auch mit einem ganz intensiven Wunsch: Frieden im Nahen Osten. Erst wenn die Palästinenser einen eigenen Staat haben, dieser und Israel gleichberechtigt international anerkannt werden, kann es im Nahen Osten Frieden geben. Setzen sich jetzt Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mit aller Kraft dafür ein, droht ein Flächenbrand. Das muss unter allen Umständen verhindert werden.

Angela Merkel[CDU]

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