zum Hauptinhalt
Weihnachtsbaum.

© dpa

Weihnachten 2014: Buchempfehlungen: Ein Fest des Lesens

Die Welt von gestern, heute und morgen: Tagesspiegel-Kritiker empfehlen Romane, Erinnerungsbücher und Biografien, Fotobände und Pop-Kompendien, Bücher über die Jahre der Anarchie nach dem Zweiten Weltkrieg, die analoge Revolution und die Digitalisierung.

Zum Jahresende empfehlen die Tagesspiegel-Kritiker Gerrit Bartels, Peter von Becker, Rolf Brockschmidt, Gregor Dotzauer, Caroline Fetscher, Katrin Hillgruber, Susanne Kippenberger und Moritz Schuller lesenswerte Romane, Erinnerungsbücher und Biografien, Fotobände und Pop-Kompendien in den Kategorien "Lieblingsbuch", "Schnelles Vergnügen", "Klassiker", "Zum Schlauwerden" und "Augen- und Ohrenweide". Viel Spaß beim Stöbern!

Gerrit Bartels.
Gerrit Bartels.

© Tsp

Gerrit Bartels empfiehlt.

LIEBLINGSBUCH

Phil Klay: Wir erschossen auch Hunde

Der Irak-Krieg aus der Perspektive eines jungen Marine, der 14 Monate in der Provinz Al-Anbar stationiert war und danach unter anderem bei Richard Ford das Schreiben von Short Stories gelernt hat. „Wir erschossen auch Hunde“ ist die vielleicht beste literarische Arbeit über neuzeitliche Kriege wie den im Irak oder in Afghanistan.

Stories. Übersetzt von Hannes Meyer. Suhrkamp Nova, Berlin 2014. 302 S., 16,99 €.

SCHNELLES VERGNÜGEN

Patrick Modiano: Gräser der Nacht

Dass hier "Gräser der Nacht" empfohlen wird, hat natürlich damit zu tun, dass dieser Roman der aktuellste auf Deutsch vorliegende des diesjährigen Literaturnobelpreisträgers ist. Es könnte jeder andere Modiano-Roman sein, einer ist schöner, erinnerungsgesättigter, traum- und zeitverlorener als der andere. Kurzum: Lesen Sie alles von Modiano!

Roman. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Hanser, München 2014. 175 S., 18,90 €.

KLASSIKER

Cormac McCarthy: Ein Kind Gottes

1974 erschienen, ist dieser Roman von Cormac McCarthy erstmals ins Deutsche übersetzt worden. McCarthy erzählt darin die Lebens- und Schauergeschichte eines nekrophilen Serienmörders – und er erzählt sie so nachdrücklich, dass man am Ende tatsächlich geneigt ist zu sagen: „Vielleicht ein Kind Gottes, ganz wie man selbst.“

Roman. Aus dem Englischen v. Nikolaus Stingl. Rowohlt, Reinbek 2014. 191 S., 12,99 €.

ZUM SCHLAUWERDEN

Christoph Kucklick: Die granulare Gesellschaft

Die Neuvermessung der Welt, und zwar der ganzen, nicht nur der digitalen, weil letztere immer dominierender wird. Anders als Frank Schirrmacher in „Payback“ und „Ego“ verzichtet Kucklick auf jeden alarmistischen Ton und analysiert kühl unsere nahe Mensch-Maschinen-Zukunft. Von Verheißung kann da keine Rede sein, aber was soll man machen?

Wie das Digitale unsere Wirklichkeit auflöst. Ullstein Verlag, Berlin 2014. 268 S., 18 €.

AUGEN- UND OHRENWEIDE

Rüdiger Esch: Electri_City

Die Geschichte von Krautrock, der elektronischen Musik in Deutschland, von Kraftwerk, der NDW, des New Wave, überhaupt des 80er-Jahre-Pop – all das rekonstruiert Krupps-Bassist Rüdiger Esch mittels einer oral history nach Jürgen-Teipel-Art. Der Soundtrack dazu erscheint bei Grönemeyers Grönland-Label mit Neu!, Rheingold, La Düsseldorf, DAF etc.

Elektronische Musik aus Düsseldorf. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 464 S., 14,99 €.

Peter von Becker empfiehlt:

Peter von Becker.
Peter von Becker.

© Tsp

LIEBLINGSBUCH

Botho Strauß: Herkunft

Ein Erinnerungsbuch, Kindheit im bürgerlichen Ambiente der 50’/60’er Jahre in einer westdeutschen Kleinstadt. Doch der heute 70-jährige Botho Strauß schreibt nicht nur über Vater, Mutter, Sohn – sondern entwirft ein kristallines Zeitbild: Zeit als gegenwärtige Vergangenheit und Gedächtnis als letzter Halt im Strom, als schöner Schatten des Subjekts.

Carl Hanser Verlag, München 2014. 96 Seiten, 14,90 €.

SCHNELLES VERGNÜGEN

Karen Köhler: Wir haben Raketen geangelt

Das Debüt des Jahres! Die frühere Schauspielerin Karen Köhler aus Hamburg schreibt Geschichten so geisteshell, voller Witz, mit gekonnten Dialogen und wie beiläufig dargebotenen Pointen, dass es die schiere Lesefreude ist. Alles zwischen Liebe und Tod, Fernlust und Heimweh ist hier enthalten, doch die ältesten Themen erscheinen brandneu.

Erzählungen. Carl Hanser Verlag, München 2014. 240 Seiten, 19,90 €.

KLASSIKER

Reiner Stach: Kafka – Die frühen Jahre

Franz Kafka ist längst ein (der?) Klassiker der Moderne. Einen Klassiker im Genre des Biografischen kann man inzwischen auch Kafkas genauesten Beobachter nennen. Reiner Stach hat seine nunmehr 2000-seitige Biografie mit dem dritten Band über Franz K.’s Anfänge abgeschlossen. Thomas Mann nannte so etwas „das innere Bild einer Epoche“.

S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2014. 608 Seiten, 34 €.

ZUM SCHLAUWERDEN

Christian Schwägerl: Die analoge Revolution

Der Wissenschaftsjournalist Christian Schwägerl will die digitale Revolution konterkarieren. „Wenn die Technik lebendig wird und die Natur mit dem Internet verschmilzt“ ist der Untertitel seines anregenden Gedankenpotpourris. „Zoogle“ statt Google, die Macht und Würde des Menschen auch in der Ära der Algorithmen, Drohnen und Nanorobots das Ziel.

Riemann Verlag, München 2014. 320 Seiten, 22,99 €.

AUGEN- UND OHRENWEIDE

Sebastião Salgado: Genesis

Ein Coffee Table Book in Supersize. Aber was für eines! Wer Wim Wenders’ „Salz der Erde“ im Kino gesehen hat, der kann mit dem brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado hier nochmals losreisen, von der Antarktis über Afrikas Wüsten in den Amazonasdschungel. Nie war die Welt grandioser und farbiger als in Salgados magischen Schwarzweißbildern.

Taschen Verlag, Köln 2014. 520 Seiten, 49,99 €.

Rolf Brockschmidt empfiehlt:

Rolf Brockschmidt.
Rolf Brockschmidt.

© Tsp

LIEBLINGSBUCH

Stefan Brijs: Post für Mrs. Bromley

Literaturstudium oder Krieg? Ein berührender Roman über einen jungen Mann in London, der sich der Begeisterung der Altersgenossen 1914 für den Krieg entzieht und die Literatur wählt. Doch als sein Milchbruder Martin Bromley fällt, zieht auch er in den Krieg, verschweigt der Mutter aber die Wahrheit.

Roman. Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas. btb Verlag, München 2014. 558 Seiten, 22,99 €.

SCHNELLES VERGNÜGEN

Stefan Hertmans: Der Himmel meines Großvaters

Stefan Hertmans setzt in einem kunstvoll komponierten Roman, der eigentlich „Krieg und Terpentin“ heißt, seinem laienhaft malenden Großvater und dessen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg ein literarisches Denkmal, in dem er auch das Geheimnis einer großen Liebe lüftet.

Roman. Aus dem Niederländischen von Ira Wilhelm. Hanser Berlin 2014. 320 Seiten, 21,90 €.

KLASSIKER

Cees Nooteboom: Berlin 1989 / 2009

Aktualisierte Ausgabe der „Berliner Notizen“, Nootebooms genialen Beobachtungen aus dem Jahr 1989, die sich dadurch auszeichnen, dass sie Monat für Monat in der „Volkskrant“ erschienen sind und nach 25 Jahren geradezu visionär wirken.

Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen und Rosemarie Still. Mit Fotos von Simone Sassen. Suhrkamp, Berlin 2009. 397 Seiten, 12 €.

ZUM SCHLAUWERDEN

Veit Veltzke (Hrsg.): Playing Lawrence on the other Side

Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Preußen-Museum in Wesel mit ausgezeichneten Aufsätzen zur Begegnung zweier Kulturen im Ersten Weltkrieg – ein Buch von großer Aktualität.

Die Expedition Klein und das deutsch-osmanische Bündnis im Ersten Weltkrieg. Nicolai Verlag, Berlin 2014. 296 Seiten, 200 Abbildungen, 39,95 €.

AUGEN- UND OHRENWEIDE

Zentrum Paul Klee, Bern (Hrsg.): Die Tunisreise 1914

Üppig illustriertes Buch zu einer der legendärsten Reisen der Kunstgeschichte am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Wer jetzt nicht nach Tunis reisen kann, um viele der Bilder dort im Bardo Museum zu sehen, wird mit diesem Band entschädigt.

Paul Klee, August Macke, Louis Moilliet. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2014. 336 Seiten, 287 Abb., 29,80 €.

Gregor Dotzauer empfiehlt:

Gregor Dotzauer.
Gregor Dotzauer.

© Tsp

LIEBLINGSBUCH

Gerhard Falkner: Ignatien

20 poetische Klagegesänge über das schwindelerregende Schwinden des romantischen Ich-Gefühls in Zeiten algorithmischer Hellseherei, beschädigter Sprache und genetischer Schicksalsmelodien – ironisch pointiert und in wütender Verwirrung.

Elegien am Rande des Nervenzusammenbruchs. Mit Filmstills von Yves Netzhammer. Englische Übertragung von Ann Cotten.Starfruit, Nürnberg 2014. 128 S., 19,90 €.

SCHNELLES VERGNÜGEN

Adam Zagajewski: Die kleine Ewigkeit der Kunst

Autobiografische Blätter des großen polnischen Dichters zu Begegnungen mit Menschen, Städten und Büchern: glänzend beobachtet, dicht geschrieben. Am besten in kleinen Portionen zu genießen.

Tagebuch ohne Datum. Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann. Hanser Verlag, München 2014. 320 Seiten, 21,90 €.

KLASSIKER

J.A. Baker: Der Wanderfalke

Naturkundliche Prosa von aberwitziger Präzision und Farbigkeit. Eine Expedition in die Welt südenglischer Wanderfalken, die zur fast vollkommenen Anverwandlung des Erzählers führt. Ein Klassiker von 1967 – noch nie so gut übersetzt wie hier.

Aus dem Englischen von Andreas Jand und Frank Sievers. Matthes und Seitz,Berlin 2014. 220 Seiten, 30 €.

ZUM SCHLAUWERDEN

Jim Holt: Gibt es alles oder nichts?

Ob Heideggers Frage „Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr nichts?“ tatsächlich das metaphysische Urproblem ist, darüber lässt sich streiten. Nicht aber darüber, dass Jim Holt eine philosophische Reportage geschrieben hat, die Lesbarkeit mit Argumentationsstärke exemplarisch vereint.

Eine philosophische Detektivgeschichte. Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober. Rowohlt, Reinbek 2014. 400 Seiten, 24,95 €.

AUGEN- UND OHRENWEIDE

Richard Havers (Hg.): Blue Note

Nicht schon wieder Blue Note, könnte man sagen. Das Label ist genug gefeiert worden. Aber wer diesen Bildband voller Cover und Fotografien aufschlägt, ist seiner Welt sofort wieder verfallen. Nur schade, dass die Kurzkritiken der zentralen Alben so oberflächlich ausgefallen sind.

The Finest in Jazz since 1939. Aus dem Englischen von Tracey Evans und Reinhold Unger. Sieveking, München 2014. 400 Seiten, 78 €.

Caroline Fetscher empfiehlt:

Caroline Fetscher.
Caroline Fetscher.

© Tsp

LIEBLINGSBUCH

Claude Lévi-Strauss: Wir sind alle Kannibalen

In diesem eben gehobenen Schatz an Essays findet sich auch die wohl brillanteste, witzigste, kühnste Analyse des Weihnachtsmanns, die je verfasst wurde. Nicht vom Titel abschrecken lassen: Dahinter steckt purer Denkstoff, explosiv, originell. Eine Essaysammlung als page-turner.

Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Suhrkamp, Berlin 2014. 252 S., 26,95 €.

SCHNELLES VERGNÜGEN

Klaus Stuttmann: Endlich Weltmeisterin

Schnell angesehen, lang erinnert. Vergnüglich bis bitter und zornig: Klaus Stuttmanns erstaunliche Synthesen aus Gegenwart, Geistesblitz und Gebrauchsgraphik. Wie jedes Jahr. Diesmal mit Merkel und den Deutschen im Weltmeistersommer.

Politische Karikaturen 2014. Schaltzeit Verlag, Berlin 2014. 224 Seiten, 19, 90 €.

KLASSIKER

Alexander Mitscherlich: Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft

Zeit für erhellende Soziologie! Diese Studie ist so aktuell wie zur Zeit ihres Erscheinens, 1963. Hier gibt es Grundlagen zum Konflikt zwischen Individuum, Gruppe und Gesellschaft. Was etwa ist Bildung? In affektiv aufgeladenen Lagen reflektieren können. Warum ist das so schwer? Wiederlesen!

Ideen zur Sozialpsychologie. Beltz Verlag, Weinheim 2003. 420 Seiten, 16, 95 €.

ZUM SCHLAUWERDEN

Heidrun Friese: Grenzen der Gastfreundschaft

Das Boot sei voll, heißt es, das des satten Europa. In Wahrheit sind die realen Boote überfüllt, die draußen auf dem Meer Kurs auf Europa nehmen. Hat Kosmopolitismus Grenzen? Wenn ja, welche? Klar und unideologisch erörtert eine der renommiertesten Ethnologinnen der Gegenwart diese Fragen.

Die Bootsflüchtlinge von Lampedusa und die europäische Frage Transcript, Bielefeld 2014. 250 S., 29,99 €.

AUGEN- UND OHRENWEIDE

Diedrich Diederichsen: Über Pop Musik

Was schon? Das Musikbuch des Jahres. 88, 4 Prozent der zitierten Bands und Musiker kenne ich nicht. Macht nichts. Denn 100 Prozent des Textes leben und inspirieren. Etwa die Analyse des vermeintlich freien Jazz, der gegen etwas anzuspielen scheint. Oder die Gedanken zur Bedeutung des Posierens von Idolen. Lohnt.

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 474 Seiten, 39, 99 €.

Susanne Kippenberger empfiehlt:

Susanne Kippenberger
Susanne Kippenberger.

© Tsp

LIEBLINGSBUCH

Michael Köhlmeier: Zwei Herren am Strand

Churchill und Chaplin: Mehr als den Anfangsbuchstaben, dachte man, hatten sie nicht gemeinsam, der konservative Politiker und der linke Filmstar. Was sie verband, davon erzählt Michael Köhlmeier in seinem zart-melancholischen Roman über zwei komplexe Figuren. Ein berührendes Buch über Depressionen, Freundschaft und das 20. Jahrhundert.

Roman. Carl Hanser Verlag, München 2014. 254 Seiten, 17,90 €.

SCHNELLES VERGNÜGEN

Leitfaden für britische Soldaten in Deutschland 1944

„Augen und Ohren offen halten“, lautete eine der Anweisungen für britische Soldaten, die 1944 nach Deutschland kamen. Das hat auch Verleger Helge Malchow getan und dieses rote Büchlein entdeckt, das es gleich auf die Bestsellerliste schaffte. Ein kluges und komisches deutsch-englisches Buch.

Aus dem Englischen von Klaus Modick. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 160 S. 8 €.

KLASSIKER

Raija Siekkinen: Wie Liebe entsteht

Gelobt sei die Buchmesse. Ohne den Finnland-Schwerpunkt wären uns viele Schätze entgangen, darunter auch dieser Klassiker der früh verstorbenen Raija Siekkinen: harte, eliptische Erzählungen – fast Mini-Romane voller Traurigkeit – über das Entstehen und Vergehen der Liebe.

Erzählungen. Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat. Nachwort von David Wagner. Dörlemann Verlag, Zürich 2014. 160 S., 16,90 €.

ZUM SCHLAUWERDEN

George Packer: Die Abwicklung

Das Epos der USA: Auf 500 Seiten erzählt der Reporter – und er erzählt wie ein Romancier – anhand seiner Portraits von Stars und Unbekannten, was mit seinem Land geschah. Kompakter, anschaulicher erfährt man das nirgends als in dem mit dem National Book Award ausgezeichneten Band.

Eine innere Entwicklung des neuen Amerika. Aus dem Amerikanischen von Gregor Hens. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2014. 512 S.,24,99 €.

AUGEN- UND OHRENWEIDE

Vivian Maier: Die Meisterwerke der unbekannten Photographin 1926-2009

Mit der Kamera kam sie den Menschen so nah, im wirklichen Leben ließ das garstige Kindermädchen sie nicht an sich heran. Zehntausende Fotos von großer Intensität und Schönheit hat die mysteriöse Amerikanerin (über die es auch einen Film gibt) geschossen, viele nie entwickelt. Ein sensationeller Fund.

Herausgegeben von John Maloof. Schirmer/Mosel, München 2014. 288 Seiten, 58 €.

Moritz Schuller empfiehlt:

Moritz Schuller
Moritz Schuller.

© Tsp

LIEBLINGSBUCH

Norbert Grob: Fritz Lang. Die Biographie

Lang war das Jahrhundert: In der Weimarer Republik mit „Metropolis“ und „M“ ein Star, in Hollywood ein Monokel-tragender Exilant, nach dem Krieg ein Freund von Adorno und erblindender Augenmensch. „Überall unterwegs. Und nirgendwo zu Hause“, schreibt sein Biograf über dieses komplexe, widersprüchliche Genie.

Propyläen Verlag, Berlin 2014. 447 Seiten, 26 €.

SCHNELLES VERGNÜGEN

Volker Kutscher: Märzgefallene

Gereon Raths fünfter Fall spielt kurz nach der Machtübernahme der Nazis 1933, der Auslöser für die mysteriöse Mordserie liegt jedoch lange davor. Wie immer liegt das Vergnügen in der Berlin-Atmosphäre der Kutscher-Krimis (zum Feiern geht Rath mit seiner Verlobten ins Horcher), die Tom Tykwer nun auch zur Fernsehserie machen wird.

Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 608 Seiten, 39,80 €.

KLASSIKER

Lukrez: Über die Natur der Dinge

In NRW streiten sie gerade über die Bedeutung des Latinums. Dank der neuen Übersetzung von Klaus Binder kann man die einst verschollene Eloge auf die säkulare, materialistische Welt, in der man keine Angst vor dem Tod zu haben braucht, auch ohne Lateinkenntnisse lesen.

Neu übersetzt von kommentiert von Klaus Binder. Verlag Galiani, Berlin 2014. 408 Seiten, 39,99 €.

ZUM SCHAULWERDEN

Keith Lowe: Der Wilde Kontinent. Europa in den Jahren der Anarchie 1943-1950

Wiederaufbau, das ist die Geschichte der Nachkriegsjahre. Lowe schildert dagegen ein Europa, das sich den Krieg und die Gewalt und den Hass erst langsam abtrainieren musste; er beschreibt eindrucksvoll, wie brutal der Krieg nach dem Kriegsende noch weiterging.

Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2014. 526 Seiten, 26,95 €.

AUGEN- UND OHRENWEIDE

Alexander von Humboldt: Das graphische Gesamtwerk

Humboldt war ein Universalgenie. In diesem Band kommt er als Zeichner zum Vorschein, der Wissenschaft zur Kunst werden lässt. Seine Pflanzen-, Tier- und Landschaftsdarstellungen sind grafische Naturwissenschaft – und großartige Bilder.

Herausgegeben von Oliver Lubrich. Lambert- Schneider-Verlag, Darmstadt 2014. 800 Seiten, 99,95 €.

Katrin Hillgruber empfiehlt:

Katrin Hillgruber.
Katrin Hillgruber.

© Tsp

LIEBLINGSBUCH

Marcel Beyer: Graphit

Ob er „Jalousiendämmer“, einen Carport oder eine Maus mit der Schreibhand zu Papier bringt, für Marcel Beyer ist „jedes Wort ein Diversant“. In seinen narrativen Gedichten nimmt er Orte, Landschaften und die Geschichte des 20. Jahrhunderts über die Materie wahr – ironisch, zögernd, selbstbewusst.

Gedichte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 207 Seiten, 21, 95 €.

SCHNELLES VERGNÜGEN

Saskia Hennig von Lange: Zurück zum Feuer

Kabinettstück mit Wildschwein: In hypnotischen Kreisbewegungen drängen in diesem dramaturgisch meisterhaft konstruierten Text drei Schicksale einer Entscheidung, einem Endpunkt zu, ausgehend von Max Schmelings Haus im Wald, in dem der legendäre Boxer erleben muss, wie ihn sein Körper im Stich lässt.

Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien 2014. 218 Seiten, 19,90 €.

KLASSIKER

Michel Carly (Hg.):George Simenon: Maigrets Frankreich

„Hier irrt Maigret“ oder „Maigret bei den Flamen“ heißen Krimis aus dem Frankreich von einst, das hier in Text und Bild wiederauflebt. Simenon imaginierte Verbrechen in Schwarzweiß, in Provinzstädten oder am Seine-Ufer: ein nostalgischer Prachtband.

Fotografiert von Brassaï, Cartier-Bresson, Doisneau u.a. Diogenes, Zürich 2014. 216 S., mit zahlreichen Fotografien, 49,9O €.

ZUM SCHLAUWERDEN

Bernd Stiegler: Spuren, Elfen und andere Erscheinungen. Conan Doyle und die Photographie

Ein spannendes kulturgeschichtliches Porträt des Arztes Sir Arthur Conan Doyle (1859-1930), Schöpfer von Sherlock Holmes. Als Amateurfotograf war Conan Doyle den Phänomenen seiner Zeit auf der Spur, von kolonialen Gräueltaten im Kongo bis hin zum Spiritismus.

S. Fischer, Frankfurt/Main 2014. 368 Seiten, zahlreiche Abb., 22,99 €.

AUGEN- UND OHRENWEIDE

Judith Zander, Judith Schalansky (Hg.): Cactaceae

„An uns sind die Moden abgeperlt, die Kulte um Irregularität als Bedingung“, dichtet die Lyrikerin Judith Zander dem Astrophytum asterias (Sternpflanze) an. 26 stachelige Schönheiten werden hier in poetisch-botanischer Manier vorgestellt, das Ganze im dunkelgrünen, weich gepolsterten Einband.

Mit Duoton-Fotografien von Johanna Ruebel. Matthes & Seitz, Berlin 2014. 143 S., 30€.

Zur Startseite