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Kultur: Weiße Jungs bringen’s nicht

Vom „Loser“ zum Rapper: Beck, der Einzelgänger des Pop, entdeckt auf seinem Album „Guero“ den Sprechgesang

Lustig scheint es zuzugehen rund um die South Vermont Avenue im östlichen Los Angeles. Dort gibt es Gemüseverkäufer, deren Autohupen wie Mariachi-Bands klingen, mit Plastiktüten zur Kirche eilende Mütterchen, guatemaltekische Straßenfußballer, vor allem aber: Musik, an jeder Straßenecke. Mitte der Achtzigerjahre, streunte auch ein Junge namens Beck Hansen durch das Viertel. Er wohnte bei seiner Mutter und liebte das ziellose Umherstreifen. Als einziger Weißer im Latinoviertel war er für die salvadorianischen Gangs nur der „Whetto“, der weiße Ghettosonderling. Liebevollere Nachbarn nannten ihn „Guero“, was „weißer Junge“ bedeutet.

Zwanzig Jahre ist das her, doch das Umherschweifen lässt Beck noch immer nicht los. Das hört man auch seinem achten Album an, das „Guero“ heißt. Der Song „Que Onda Guero?“ („Was geht, weißer Junge?“) erzählt von jener Zeit, doch auch in den zwölf anderen Liedern gibt sich der 34-jährige Sänger, Gitarrist und Soundtüftler als der Außenseiter, der sich den unterschiedlichsten Einflüssen öffnet. Wie damals in East L.A.

Im internationalen Musikgeschäft ist Beck Hansen auch nach elf Jahren Karriere noch immer eine Randfigur. Seit seinem Durchbruch mit „Loser“ 1994 ist er mit Kritikerlob und Preisen geradezu überschüttet worden. Doch das Versprechen, das der Megahit zu sein schien, konnte er nicht einlösen. Erfolgreich in kommerzieller Hinsicht ist er eher nicht. Sicher: Beck hat ein Gespür für den Zeitgeist, man feierte ihn als Stimme der Slacker-Generation, als das Slackertum, bohemehaftes Herumhängen, gerade ein Trend zu sein schien, und mit seinem Album „Midnite Vultures“ versuchte er sich schon 1999 in Schmacht-R’n’B, lange bevor diese Art der Soul-Überzuckerung durch Weiße in die Castingshows einzog. Doch um richtige Hits zu landen, war seine Musik stets zu verschroben, zu anspielungsreich, zu clownesk oder, wie vor drei Jahren sein letztes Album „Sea Change“, zu düster.

Mit „Guero“ (Universal) setzt Beck nun da an, wo er mit seiner erfolgreichsten Platte „Odelay“ 1996 aufgehört hat: Die Dust Brothers haben wieder produziert, Becks Sprechgesang holpert auf schleppenden Beats dahin, Handclaps, Samples, Scratches und 8-Bit-Intros verzieren die überraschend unkomplizierte Grundstruktur der Songs. Und: Reichlich Rockakkorde finden sich auf dem Album – die waren seit „Odelay“ aus seinem Oeuvre verschwunden. Der Funk hingegen hat den weißen Jungen beinahe verlassen, nur der Groove von „Scarecrow“ klingt ein wenig nach Michael Jacksons „Billie Jean“. Becks Stimme überschlägt sich nicht mehr ins Falsett, was schade ist, denn Soul lag ihm mehr als Rap. Da hilft auch wenig, dass er seinen behäbigen Sprechgesang „Spoken Blues“ nennt.

Sonst lässt sich gegen „Guero“ praktisch nichts einwenden. Die Palette der Gefühle, die der Sänger beschwört, reicht vom Unbehagen („Earthquake Weather“) über Zweifel („Go It Alone“) bis zum Trotz, der auf scheppernden Slide-Gitarren gurgelnd hervorgestoßen wird („Farewell Ride“). Wieder gelingt Beck ein erstklassiges Mashup der Genres, aber aus der Fülle der Bezüge entwickelt sich zu wenig Neues. Und das möchte man doch bei einem wie ihm, dass er sich weiter entwickelt, dass alles passieren kann, nur eben eines nicht: Routine. Die können auch Gastmusiker wie Jack White von den White Stripes oder Money Mark nicht verhindern.

Hat Beck sein Pulver verschossen, alle Stile, auf die er sich versteht, durchprobiert? Erfüllt sich nun das Vermächtnis von „Loser“, seiner Versagerhymne, die in der fragenden Aufforderung gipfelte: „Why don’t you kill me?“ Vielleicht war Beck einfach nur seiner Zeit voraus, nun hat sie ihn eingeholt. Vor kurzem enthüllte die „New York Times“, dass Beck – wie sein Vater und seine Ehefrau – Mitglied der Scientology-Kirche ist. Sogleich wurde das Album auf religiöse Bekenntnisse durchleuchtet. Von der clownesken Ironie der frühen Jahre ist auf „Guero“ tatsächlich nicht viel geblieben. „Hell Yes“ heißt ein Stück, in dem Beck die Erregungszustände einer ewigen Party in absurde Reime übersetzt, es klingt wie ein Abgesang.

Da ist etwas nicht in Ordnung. Schon im Einstiegssong „E-Pro“, der Singleauskopplung mit einem Drumsample aus „So What’cha Want“ von den Beastie Boys, heißt es ungeachtet der flotten Melodie: „There’s too much left to taste that’s bitter.“ Die Verbitterung der Erwachsenenwelt, die „Guero“ beklagt, steht in einem krassen Kontrast zu dem Reichtum der Kindheit, den der Titeltrack heraufbeschwört.

Daniel Völzke

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