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Er strahlt Lebensmut aus: Naseer Shamma.

© AFP

Konzert von Naseer Shamma: Wem das Herz aus der Brust springt

Der Oud-Virtuose Naseer Shamma hat eine arabische Musikakademie gegründet – das Auftaktkonzert fand im im Berliner Rathaus statt.

Ein Pferd, jung und schön, tänzelt und setzt zum Galopp an. Es sind eindringliche Bilder, die vor dem inneren Auge entstehen, lauscht man dem Musiker Naseer Shamma im Berliner Rathaus. So reich und vielschichtig ist sein Spiel, dass man glauben muss, ein Trio vor sich zu haben. Aber da ist nur Shamma, ganz Seele seiner Oud, ältestes Lauteninstrument der Welt, Vorform der Gitarre. Überwältigend facettenreich entlockt er ihr ganze Landschaften, nie gefällig, immer kunstvoll und intensiv. Das Publikum, gebannt bis zur letzten Sekunde, kann am Ende nur eines tun: stehender Beifall.

„Wir brauchen Diversität. Nur daraus entsteht Neues und Spannendes“, so Kultursenator Klaus Lederer beim Konzert am Dienstag. Es bildet den Auftakt einer im Dezember gegründeten arabischen Musikakademie in Berlin. Unter dem Namen „Naseer Shamma Oud Haus Berlin“ entsteht eine hochkarätige Ausbildungs- und Auftrittsstätte für klassische arabische, aber auch zeitgenössische Musik. „Ein Zentrum für ganz Europa“ nennt es Shamma, der künstlerische Leiter.

Die Institution verfolgt auch eine soziale Mission. Sie soll sich für Auswanderer, deren Kinder und Einheimische zur interkulturellen Begegnungsstätte entwickeln. Musik kann ihnen Heimat sein, Ort positiver Lebensgefühle. „Ich glaube, dass sie das Gute im Menschen hervorbringt. Oft habe ich erlebt, wie gestresste, überreizte Menschen durch Musizieren und das Hören von Musik ihren inneren Frieden und Lebensmut wiederfanden“, erzählt Shamma, der im Irak geboren ist und beide Golfkriege erlebte.

Aus der Oud ging später die Gitarre hervor

Shamma ist ein Oud-Virtuose und Komponist von Weltrang, mit vielen Preisen geehrt. Er kam 2016 auch für sein musikalisches Engagement im Rahmen des Eröffnungsprogramms des Pierre Boulez Saals nach Berlin. Mehrere Persönlichkeiten aus der Stadt haben sich nun seiner Initiative, eine Akademie in Berlin zu gründen, angeschlossen – darunter der ehemalige Leiter des Museums für Islamische Kunst, Claus-Peter Haase. „Seit Jahrtausenden gibt einen regen Austausch zwischen der Musik des Westens und des Orients, der immer zur Bereicherung beigetragen hat“, erläutert er. Unter der arabischen Regentschaft in Andalusien brachten Musiker die Oud nach Europa. Aus ihr und anderen Instrumenten ging später die Gitarre hervor. Ohne sie würden B. B. King, Eric Clapton, Jimmy Page anders klingen. Am Anfang aber war eine künstlerische Idee: „Die Oud – ein Instrument, geschaffen zur Begleitung von Gesang und Dichtung, nicht zu laut und nicht zu leise“, erklärt Haase.

Der Austausch zwischen den Musiktraditionen war immer dann besonders fruchtbar, wenn sie wechselseitig gepflegt und geachtet wurden. „Die Akademie wird auch unsere klassische Musik wieder zu Neuem anregen“, sagt Haase. Für diesen Austausch gibt Shamma selbst das beste Beispiel: Er verschmilzt sein Oudspiel mit den Klängen der Trompete des US-Jazzsolisten Wynton Marsalis, mit dem er regelmäßig gemeinsam auftritt. Und er spielt Meisterwerke der klassischen europäischen Musik von Vivaldi, Beethoven und Bach. Einen Moment staunt der Zuhörer, wenn in Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ die Oud erklingt. Doch dann fühlt man sich in den Süden Spaniens versetzt und wüsste nicht, wie dieses Lebensgefühl wahrhaftiger zum Ausdruck kommen könnte als in diesem meisterhaften Zusammenspiel von Orient und Okzident.

Immer treibt Shamma auch soziales Engagement an

„Ich wollte schon als kleiner Junge, mit fünf, Oud spielen“, erzählt Shamma. Das hölzerne, bauchige Lauteninstrument war aber zu groß für ihn, die Eltern wollten ihm die Idee ausreden. Als er dann einem Lehrer beim Oudspiel lauschte, „sprang mir das Herz aus der Brust“. Vergebens bat er wieder darum, Unterricht zu bekommen. Erst mit zwölf, in den großen Sommerferien, ließ sich ein Lehrer überreden. „Es war, als hätte ich tagelang nichts gegessen und könnte nun endlich meinen Hunger stillen“, erinnert er sich an diesen besonderen Moment. Es ist seine Bestimmung, dieses Instrument zu spielen. So empfindet es Shamma.

Er gründete Musikakademien in Abu Dhabi, Kairo und Alexandria, wo Oud- Spieler ausgebildet und andere Lauteninstrumente unterrichtet werden. Doch immer treibt ihn auch soziales Engagement an: Als ein befreundeter Oud- Spieler im irakischen Krieg eine Hand verlor, versprach er, keine Konzerte mehr zu geben, bis er eine einhändige Spieltechnik beherrsche. Bis heute lehrt er die Methode. Auch die Berliner Akademie hat eine wichtige soziale Funktion, betont Shamma: „Ich habe all die Flüchtlinge gesehen, die hier ankommen und denen so viel Schreckliches widerfahren ist. Musik kann ihnen eine Hilfe sein.“

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