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Kultur: Wenn du reden darfst, dann rede!

Staeck & Co.: In Berlin bildet sich eine deutsch-französische Autorenallianz gegen den Irakkrieg

Sie haben es nicht leicht, die Intellektuellen. Schweigen sie, fordert man lautstark ihre Stellungnahme. Mischen sie sich ein, werden sie oft als gutgläubig oder inkompetent hingestellt. Die von dem Grafiker Klaus Staeck und dem PEN-Vorsitzenden Johanno Strasser ins Leben gerufene „Aktion für mehr Demokratie“ engagiert sich seit langem mit einer Vielzahl von Aktionen gegen den drohenden Krieg im Irak. Ihr Aufruf „Verhindern wir einen völkerrechtswidrigen Krieg!“ ist Bestandteil einer deutsch-französischen Initiative, der sich bisher mehr als 900 Intellektuelle, Künstler und Wissenschaftler aus 21 Ländern angeschlossen haben. Am Montag trafen sich Vertreter aus Frankreich und Deutschland im Deutschen Theater in Berlin, um ihrer Stimme – gewissermaßen fünf Minuten vor zwölf – nochmals Gehör zu verschaffen.

Die „Weltrechtsgemeinschaft“ in Gestalt der Vereinten Nationen, so Klaus Staeck, sei durch die gegenwärtige amerikanische Politik in Gefahr – und mit ihr eine wesentliche Basis der Demokratie. Dass in Manhattan ein UN-Hochhaus steht, habe viel mit dem alten Europa, seinem Denken und Kants Idee des Ewigen Friedens zu tun, meint der französische Philosoph und Dichter Jean-Pierre Faye. Bei den gegenseitigen amerikanisch-irakischen Verteufelungen sieht er „zwei Sprachen des Fundamentalismus“ aufeinander treffen. Die Bestandsaufnahme der Situation fällt also eindeutig aus. Was aber kann man noch tun, um ein Desaster zu verhindern?

Für den Schriftsteller Ingo Schulze ist eine politische Argumentation aufgrund des Informationsdefizits kaum mehr möglich. Stattdessen sollte das Gedicht „Maßnahmen“ von Erich Fried für ihn sprechen. Es endet mit den sarkastischen Versen „Die Bösen werden geschlachtet, die Welt wird gut.“ Auch der Regisseur Andreas Dresen gesteht seine sachliche Inkompetenz ein, will aber die Hoffnung nicht fahren lassen, „aus vielen leisen Stimmen könne sich ein Chor formieren“.

Stimme der Stummen

Im Unterschied zur deutschen Zurückhaltung schlüpft die Schriftstellerin Noëlle Châtelet in die Rolle des traditionellen écrivain engagé: Sie tritt auf als Repräsentantin des öffentlichen Bewusstseins. Sie müsse Partei ergreifen, weil sie „die stummen Leser und Zuhörer vertrete“. Freunde hätten ihr geraten, „wenn du irgendwo reden darfst, dann rede!“ Dabei ist es gerade in Frankreich und Deutschland kein heroischer Akt, gegen den Krieg zu reden.

Denn die Freude über das neue deutsch-französische Wir-Gefühl in der Allianz gegen einen Krieg wird nur noch von jener über den seltenen Schulterschluss der Intellektuellen mit ihren jeweiligen Regierungen übertroffen. Ebenso wie Klaus Staeck fühlt sich Noëlle Châtelet nicht unwohl dabei, „einmal mit meiner Regierung einer Meinung zu sein“. Dennoch könnte hier ein Missverständnis im Spiel sein. Schließlich unterstützen die Künstler nicht nur die Ablehnung eines Krieges, sondern engagieren sich gleichzeitig in geopolitischen Auseinandersetzungen, in denen die Machtverteilung zwischen den Vereinigten Staaten und Europa zur Debatte steht.

Den Vorwurf des Antiamerikanismus versucht vor allem der Theatermann Ivan Nagel zu entkräften. Er macht sich vielmehr „Sorgen um Amerika“. Es könnte „kaputtgehen, verdummen“ und unfähig werden, „die Demokratie auszuüben.“ Zu ihr gehört unverzichtbar die Meinungsfreiheit. Da wirkt es seltsam, wenn Nagel den deutschen Feuilletons vorwirft, durch die gleichberechtigte Darstellung der Positionen „Verschleierung“ zu betreiben – und das, obwohl er selbst sich in der „Süddeutscher Zeitung“ und der „Frankfurter Allgemeinen“ ausführlich geäußert hat. Das Fernsehen vor allem, relativiert Klaus Staeck die Medienschelte, suggeriere seit Wochen die Unausweichlichkeit des Krieges. Auftritte von Kriegsgegnern würden gekürzt oder ins Nachtprogramm verschoben. Vorerst, so scheint es, bleibt den Intellektuellen nur, sich auf traditionelle Formen des Engagements zu besinnen und Petitionen zu unterschreiben.

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