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Kultur: Wenn Erben zu Gerichte ziehen

Schlemmer-Auktion in Köln wieder abgesagt

Angekündigt war die Auktion als „Höhepunkt der Herbstsaison“: Aus dem Familiennachlass von Oskar Schlemmer sollte heute die erste Hälfte mit 63 Gemälden, Plastiken und Papierarbeiten im Kölner Kunsthaus Lempertz unter den Hammer kommen. Am Mittwoch hat das Oberlandesgericht München die Versteigerung der Werke, die sich bislang als Leihgaben in Museen befanden, per einstweiliger Verfügung verhindert und eine weitere Runde im Erbenstreit eingeläutet.

Wenn Leihgaben im großen Stil aus Museen abgezogen werden, geht normalerweise ein Aufschrei durch die Kunstwelt – zumal wenn es sich um ein Konvolut von nationalem Interesse handelt. Doch selten war der Zusammenschluss von Museen, Kunsthistorikern und Auktionsmarkt so einhellig. Im Vorfeld hatten sich zahlreiche Direktoren, darunter Schlemmer-Experte Wulf Herzogenrath von der Kunsthalle Bremen und Karin von Maur aus Stuttgart, Verfasserin des Werkverzeichnisses, mit Janine Schlemmer solidarisch erklärt.

Die Enkelin des 1943 verstorbenen Bauhaus-Künstlers, dessen Geburtstag sich im September zum 120. Mal jährte, kämpft seit Jahren gegen die abstruse Nachlasspolitik ihrer Tante. Denn nach dem Tod der Künstler-Witwe Tut Schlemmer 1987 haben sich die Tochter Ute Jaina und deren Sohn Raman um den Nachlass gekümmert. Die seinerzeit noch junge Janine, die nach dem frühen Tod ihrer Mutter die Hälfte der Rechtsnachfolge innehat, wurde übergangen.

Als sie vor acht Jahren juristische Schritte einleitete, hatten Tante und Vetter das Gros des Familienerbes, das Janine Schlemmer auf bis zu 3000 Werke schätzt, bereits aus Museen zurückgefordert und außer Landes gebracht oder verkauft. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs, Auskunft über den Verbleib zu geben, wird bis heute ignoriert. Dessen rechtliche Durchsetzung scheint nahezu aussichtslos. Jaina und Raman Schlemmer leben in Italien.

2007 entschied das Landgericht Stuttgart, dass die Teile des Nachlasses, die sich noch in öffentlichen Institutionen befinden, zwangsversteigert werden müssen, wenn keine Einigung zustande kommt. Da diese konsequent verweigert wurde, zog Janine Schlemmer die Notbremse. Erbstreitigkeiten in Künstlerfamilien kenne man, so Wulf Herzogenrath: „Allerdings nicht mit solcher Starrheit, die auf Grund der langen Dauer und der noch bis 2013 zu beachtenden Urheberrechte schon jetzt dem Ansehen Schlemmers geschadet hat.“ Die museale Würdigung eines der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts wurde mit horrenden Leihgebühren und Urheberrechtsforderungen seitens Jaina und Raman Schlemmers praktisch lahmgelegt. Traurige Konsequenz: Manch ein Museum verzichtet daher ganz auf die Präsentation Oskar Schlemmers. Für Wulf Herzogenrath „ein Vergehen an der Kunstgeschichte“. Dem hat das Oberlandesgericht München nun weiteren Vorschub geleistet. Dort hatte die hochbetagte Schlemmer-Tochter die Unterbindung der Versteigerung beantragt, weil ihre Nichte die Werke ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung eingeliefert habe.

„Das Urteil ist mir ein Rätsel, zumal die Gerichte in der Regel bei Künstlern behutsam agieren“, so Herzogenrath. Drei Werke Schlemmers, die auch in dem von Lempertz edierten Auktions katalog vertreten sind, wurden unlängst in die Liste national wertvollen Kulturguts aufgenommen. Genau das aber scheint im Münchner Paragraphendschungel untergegangen zu sein. Denn der 18. Zivilsenat hat befunden, dass Ute Jaina Schlemmer der Auktion hätte zustimmen müssen. Da dürfte nicht nur der Laie stutzen. Warum bedarf nach der richterlichen Anordnung einer Zwangsversteigerung diese noch der Zustimmung beider Streitparteien? Bemerkenswert auch, dass Tante und Vetter nichts von der Versteigerung gewusst haben wollen. Bleibt die Frage, warum sie Janine Schlemmer das Recht der Einstimmigkeit bei Verkäufen aus dem Familiennachlass nicht eingeräumt haben? Der Erfolg der einstweiligen Verfügung könnte sich als Pyrrhussieg erweisen.

Für das Werk Schlemmers bedeutet das Urteil einen weiteren Rückschlag, ebenso für die Institutionen. „Ein Dutzend Museen aus dem In- und Ausland waren bestens gewappnet, um ihre einstigen Leihgaben endgültig erwerben zu können – ohne Streit und Gängeleien“, sagt Henrik Hanstein. Nun hofft der Lempertz-Inhaber, die Auktion 2009 durchführen zu können. Darüber wird wohl das Stuttgarter Landgericht erneut zu entscheiden haben. Michaela Nolte

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