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Kultur: Wie geht es weiter in der Friedrichstraße? Heute entscheidet das Bundesarbeitsgericht über eine Mitarbeiter-Klage

Hier hat schon lange niemand mehr Licht gemacht. Dunkel und traurig schwingen die Lichterketten im Abendwind.

Hier hat schon lange niemand mehr Licht gemacht. Dunkel und traurig schwingen die Lichterketten im Abendwind. Der Innenhof des Metropol-Theaters liegt im Dunkeln, nichts erinnert daran, dass hier bis Juli 1997 die leichte Muse zu Hause war. Selbst die Schaukästen in der Tordurchfahrt, in denen noch bis vor kurzem Aufführungsfotos an die glücklichen Zeiten des Operettentheaters erinnerten, sind nun ausgeräumt. Nur hinter der Glastür des ehemaligen Künstlereingangs schimmert bläuliches Fernseherlicht. Hier sitzen seit dem Konkurs des Hauses die Männer vom Wachschutz, um ein Theater zu beschützen, in dem es nichts mehr zu holen gibt als alte Erinnerungen.

Nach der ersten Überraschung über den späten Gast, gibt sich der Wachmann auskunftsfreudig: Sicher kämen hier immer wieder ehemalige Metropol-Mitarbeiter vorbei, berichtet er, "um ihrem Herzen ein wenig Luft zu machen." Der Wachmann kann die Theaterleute gut verstehen. "Mir wäre es auch lieber, wenn hier wieder normales Leben herrschte. Aber die Politiker versprechen seit zwei Jahren alle paar Monate die Wiedereröffnung - und trotzdem passiert nichts." Ein paar Vermietungen - zuletzt gastierte hier Tom Waits - und ein CDU-Landesparteitag, mehr war seit Sommer 1997 nicht los. Zweimal gingen die 25 Millionen Mark Jahressubvention für Löcher im Haushalt des Kultursenators Peter Radunski drauf, so dass die Finanzsenatorin sich nun weigert, im Etat 2000 noch einmal dieselbe Summe für die eventuelle Bespielung des Operettenhauses zu akzeptieren.

Derweil kämpfen viele der ehemaligen Beschäftigten vor Gericht darum, wieder eingestellt zu werden. Die staatliche Institution sei nämlich gar nicht wirklich auf die privatrechtlich geführte Metropol-Betriebs GmbH von René Kollo übergegangen, sagen sie. Deshalb hätte die Stadt Berlin die Belegschaft nach dem Zusammenbruch des Hauses wieder zurücknehmen müssen. Davon jedenfalls ist der Rechtsanwalt der Metropol-Mitarbeiter, Hanskarl Ganß überzeugt. "In drei Rechtsinstanzen haben wir bereits Recht bekommen. Jetzt steht am Donnerstag die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Kassel an", erklärt er. "Allerdings ist der Ausgang des Falls inzwischen wieder ganz offen, nachdem das Gericht im März eine Entscheidung zur Frage des Betriebsübergangs getroffen hat, in dem die Beschäftigten eines privatisierten Staatsunternehmens unterlegen sind." Auch wenn Ganß überzeugt ist, dass dieser Fall keineswegs mit dem des Metropol-Theaters vergleichbar ist, könnte es sein, dass die Kasseler Richter sich entscheiden, hier dieselbe Urteilsbegründung anzuwenden.

Doch selbst wenn die Operettenmacher in letzter Instanz gewinnen, können sie keineswegs sicher sein, auch wieder in ihr Haus einziehen zu können. Denn nicht nur die finanzielle Ausstattung ist alles andere als gesichert, auch einen möglichen neuen Intendanten gibt es nicht. Radunski favorisiert zwar seit langem ein Leitungsteam um den Dirigenten Christoph Hagel, doch das hat gerade einen wichtigen Mann verloren: Peter Sauerbaum, langjähriger Verwaltungschef des Berliner Ensembles und ein ausgewiesener Theatermanagement-Profi, ist an die Deutsche Oper abgeworben worden, wo er mit dem neuen Intendanten Udo Zimmermann im Herbst 2002 anfangen soll.

Peter Bejach, ehemaliger Chef der Staatsoperette Dresden und Seniorpartner im möglichen Leitungsteam, sieht trotzdem keinen Grund, das Handtuch zu werfen. "Immerhin stünde uns Sauerbaum vor seinem Weggang zur Deutschen Oper zwei Jahre lang zur Verfügung, um das neue Metropol-Theater in Gang zu bringen", erklärt er. "Ich denke, dass müsste genügen, um einem Nachwuchsintendanten Christoph Hagel genug Einsichten in die Notwendigkeiten des Theaterbetriebs zu verschaffen. Und auch ich will ja nicht ewig dabeisitzen. Wichtig ist mir vielmehr, einer neuen Generation beim Start in eine neue Operetten-Ära zu helfen." Und dafür müssten zwei Jahre reichen, glaubt Bejach.

Für den Unterhaltungstheater-Spezialisten, der gerade mit ein paar Gleichgesinnten den Verein "Operette in Berlin" gegründet hat, ist das Metropol-Theater übrigens nicht an den Admiralspalast gekettet. "Das Metropol hatte in seiner über 100-jährigen Geschichte diverse Spielstätten, zum Beispiel spielte nach dem Krieg im Kino Colosseum an der Schönhauser Allee, während die Staatsoper in der Friedrichstraße die Zeit bis zum Wiederaufbau ihres Gebäudes überbrückte." Solle sich also keine Lösung finden lassen, bei der ein Investor die Renovierung des Gebäudes am Bahnhof Friedrichstraße bei gleichzeitiger Garantie des Operetten-Repertoire-Betriebs übernimmt, findet es Bejach nicht ketzerisch, über andere Standorte nachzudenken: So könnte er sich beispielsweise vorstellen, dass eine neues Metropol ein paar Jahre lang erst einmal durch Berlin tingelt, als Gast diverser Institutionen wie dem Theater des Westens, dem Hebbel-Theater oder auch der Volksbühne in der Schaperstraße. "Damit könnten die anderen Häuser Solidarität beweisen, während gleichzeitig Geld gespart wird, mit dem man dann eine Instandsetzung des Admiralpalasts finanzieren könnte", findet Bejach. Eine andere Variante wäre, zunächst einmal kleine, weniger personalintensive Stücke in einem kleinen Theater zu spielen und so Geld die für die Renovierung zurücklegen zu können.

Ein erstes Projekt in dieser Richtung haben mehrere ehemalige Stars des MetropolTheaters, darunter Maria Mallé und Fritz Hille, sogar inzwischen auf eigene Faust gestartet. Die Plakate, die hinter den Fensterscheiben der tristen, leeren Räume des früheren Besucherservice an der Straßenfront des Admiralpalasts kleben, machen Werbung für die Revue im Theater Karlshorst, die immer sonntags um 16 Uhr zu sehen ist. Der Titel ist Programm: "Paul Lincke ist nich totzukriejen!".

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