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Uferhallen in Berlin Wedding: einst reparierte die BVG auf dem Gelände an der Weddinger Panke ihre Straßenbahnen und Busse.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wieder Bangen um Atelierstandort Uferhallen: „Anderswo nicht wieder aufzubauen“

Sind bisher getroffene Vereinbarungen nun hinfällig? Eigentümer löst sich aus Bebauungsplan. Auch die renommierte Malerin Katharina Grosse bangt um den Standort.

Bei den Uferhallen in Wedding ist erneut Alarm. Der Kunst- und Atelierstandort, an dem sich in den vergangenen 15 Jahren ein einzigartiges Biotop mit rund 100 Künstler:innen und Gewerbetreibenden angesiedelt hat, fürchtet, dass nun doch, entgegen der bis Anfang 2023 am runden Tisch getroffenen Vereinbarungen, bald die ersten Kündigungen für Mieter:innen ausgesprochen werden könnten.

Der Verein Uferhallen e.V. hat darüber informiert, dass der Eigentümer des Geländes, die Marema GmbH, die zum Firmengeflecht der Samwer-Brüder gehört, das Bebauungsplanverfahren einseitig gekündigt hat.

Diesen Darstellungen widerspricht die Marema GmbH: Das beschriebene Verfahren sei nicht von ihr einseitig aufgekündigt worden. Vielmehr haben sich die beteiligten Parteien, darunter die Kulturverwaltung, der Bezirk und der Eigentümer auf eine Pausierung des Bebauungsplanverfahrens verständigt, um gemeinsam in den nächsten Monaten die planerischen Ziele neu zu erörtern.

Bebauungsplanverfahren pausiert

Der Verein Uferhallen e.V., der die Interessen der Künstler:innen und Mieter:innen vor Ort vertritt, befürchtet, dass die Pausierung dazu führen könnte, dass alle Anfang des Jahres mit Bezirk und Senat getroffenen Vereinbarungen zur Koexistenz von Ateliers und neu zu bauenden Wohnungen hinfällig sind. Ebenso sieht der Verein, die Vereinbarung in Gefahr, dass die Uferhallen e.V. als Generalmieterin einen Vertrag über 30 Jahre bekommen soll und niemandem gekündigt wird.

Die Marema GmbH erklärt dazu, die Pausierung habe „derzeit keinerlei Konsequenzen. Es gibt bislang keine Kündigungen und es sind auch derzeit keine geplant. Aktuell finden lediglich die Verhandlungen zum Generalmietvertrag statt.“

Ab 2024 wird gebaut

Was aber ab Januar 2024 geschehen soll: drei Bauvorhaben will Marema in Kürze auf dem Areal realisieren, unter anderem den ehemaligen Pferdestall und die alte Kantine um- und ausbauen. Das darf sie aufgrund vorheriger Vereinbarungen auch. Die dortigen Mieter:innen müssen raus.

An dem Standort haben berühmte internationale Künstler wie Rosa Barba, John Bock, Monica Bonvicini oder Venedig Biennalen-Künstlerin Maria Eichhorn ihre Ateliers, daneben auch jüngere Nachwuchskünstler:innen und Gewerbetreibende im Kunstbusiness. Es ist ein funktionierendes System aus kleinen unabhängigen Betrieben, es wird ausgebildet.

„Diese einzigartige Konstellation geht verloren, wenn keine Lösung mit dem Eigentümer gefunden wird“, sagt die Malerin Katharina Grosse, eine der berühmtesten Künstlerinnen am Ort, die seit 2008 ihr Atelier auf dem Gelände hat.

Gewachsene Struktur ist nicht verpflanzbar

„Die Künstler werden abwandern. Wenn dieses Ökosystem zerfällt, ist es anderswo nicht wieder aufzubauen“, so Grosse. Die Künstlerin kennt solche Versuche aus Köln, wo Künstler:innen in Scharen abwanderten, weil eingespielte Atelierstandorte aus Profitgründen aufgegeben wurden. Später versucht man vergeblich, Alternativen zu erschaffen.

Es gehe bei den Uferhallen nicht nur um die Bedürfnisse einzelner Künstler, so Grosse. Wenn die Politik solche Räume des Zusammenhalts und der gegenseitigen Akzeptanz nicht erhalte, sei das auch ein Zeichen an die Gesellschaft.

Auch Bildhauerin Asta Gröting, die seit vielen Jahren ihr Atelier in den Uferhallen hat, erzählt von den vielen Freundschaften, die auf dem Gelände geknüpft worden seien, von regelmäßigen Treffen zwischen Künstler:innen, gegenseitigen Atelierbesuchen. „Wenn Künstler:innen gezwungen sind ins Umland abzuwandern, verändert sich auch die Kunst“, sagt Gröting. „Und manche werden gar nichts Neues mehr finden.“

Eine neue Petition soll die Politik dazu bringen, alle Parteien erneut an einen Tisch zu bekommen. Joe Chialo, der neue Berliner Kultursenator, hat in der RBB-Abendschau bereits beteuert, er wolle sich für den Standort einsetzen. „Wenn wir mit großen Künstlern wie .... Monica Bonvicini, Katharina Grosse und vielen, vielen anderen in den Uferhallen so umgehen, dass sie ihre Kulturorte verlassen müssen, brauchen wir uns in Berlin nicht zu wundern, wenn dieser Stadt die Exzellenz abhandenkommt“, sagte er in dem Interview.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Text um Stellungnahmen der Marema GmbH ergänzt.

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