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Kultur: Wiegenlieder der Prärie

Das RSB spielt im Konzerthaus Stücke von Hans Werner Henze

Unglaublich fast, heute solche Musik zu hören, unglaublich und zugleich großartig. Dem Komponisten Hans Werner Henze, der am 1. Juli achtzig Jahre alt wird, widmete das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski nun ein Sonderkonzert – Musik satt, von einem, der keine Angst hat vor dem Volltönenden, Süffigen, klangfarblich exakt Ausgesteuerten, dem Lieblich-Wiegenliedlichen, Präriehaft-Neuweltlichen, mitunter auch Samtdrapierten. Immer mit vollem Zugriff auf den Ton, ohne jene Misstrauens- und Gebrochenheits-Spirenzchen, die andere in die Musik gebracht haben: kein Schaben, Kratzen, Flattern oder Schieben bei Henze. Stattdessen Mut zum Ton, zum symphonischen Klang, zur großen, traditionellen Form.

Und das schon immer. Und mit den erwartbaren Effekten. Als die„Nachtstücke und Arien“ auf Texte von Ingeborg Bachmann 1957 in Darmstadt uraufgeführt wurden, verließen Boulez, Nono und Stockhausen den Saal. Zu groß war wohl der Schock über das Schöne, darüber, dass es jemand hier noch einmal gut meinen könnte. „Ach, was soll es“, sagte Alfred Andersch zu Henze, „das nächste Mal schreibst du etwas weniger Pastellenes, dann ist alles wieder O.K.“ Fast fünfzig Jahre später trinkt man diese Musik, hört ihr zu wie dem chromatischen Rauschen einer schönen Parallelwelt. Die Sopranistin Claudia Barainsky springt mühelos von jetzt auf gleich in ätherische Höhen. Daniel Hope widmet sich den Solopassagen im dritten Violinkonzert (1997) wie Bachschen Partiten; volle Tönung auch hier, Doppelgriffe und Kantabilität. Mit der Sinfonia N 8 zeigt das RSB noch einmal, wie selbstverständlich ihm Henzes Idiom längst ist. Ist das die klassische Moderne? Auf jeden Fall gute, erfolgreiche Musik.

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