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Kultur: Wiener Glut

Young Euro Classic in Berlin schließt mit Bruckner

Das Märchenhafte ist der Klang. Er vereint die begabtesten jungen Musiker aus allen 27 EU-Ländern, um ihnen eine gemeinsame schöne musikalische Rede zu verleihen. Das Finale des Berliner August-Festivals Young Euro Classic, das 15 europäische und außereuropäische Orchester in sein Programm gespannt hat, gehört dem Jugendorchester der Europäischen Union. Gilt der Musiksommer im Konzerthaus, wo Intendant Frank Schneider ihn als eine etablierte Größe verbuchen darf, der Vielfalt, dem Heterogenen zwischen Polen und China, Slowenien und dem Oman, so herrscht nun eine Sprache. Die europäische. Es wäre vermessen, diese Musik Sprache der Welt zu nennen. Aber es bedeutet viel, den gesamteuropäischen Klang in exzellenter Weise auf die Musikstadt Wien zu konzentrieren. Anton Bruckner und Alban Berg, der sich wiederum auf Bach bezieht – das sind Wiegen und Schulen der Musik, die in der Welt fortwirken.

Im Fahnenschmuck Europas und der EU-Länder krönt das Orchester die Konzertserie in ihrem achten Jahr. Es wird von Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parlaments, in einer konzisen Festrede das „wichtigste Juwel der EU“ genannt. Erstaunlich ist, dass dieser Klangkörper, dessen Wesen naturgemäß der agilsten Fluktuation unterworfen ist, im kommenden Jahr bereits seinen 30. Geburtstag feiern wird. Über 4000 Musiker bewerben sich alljährlich, um an den intensiven Proben und Tourneen teilnehmen zu können. Claudio Abbado hat als erster musikalischer Direktor des Orchesters die Messlatte für eine Phalanx berühmter Dirigenten gesetzt. Derzeit ist das European Union Youth Orchestra (EUYO) mit Herbert Blomstedt zusammen, der die Qualitäten skandinavischer und besonders sächsischer Musiziertradition (aus Chefpositionen an der Staatskapelle Dresden und am Leipziger Gewandhaus) in die internationale Schar bringt. Für den 80-jährigen, bemerkenswert fit auftretenden Maestro ist der Begriff Jugendorchester, wie er im Gespräch erklärt, gleichbedeutend mit Enthusiasmus und grenzenloser Neugier. „Das Gefühl der Gemeinsamkeit ist es, das wir stärken wollen.“ Die Absicht wird Klang.

Das Podium ist brechend voll. Dennoch gelingt es Blomstedt, in Bruckners Siebenter Phrasen wie schlanke goldene Brücken zu bauen, die tiefen Streicher mit einer kostbaren Stimme singen zu lassen. Jede Generalpause gilt dem Neuanfang, jedes Fortissimo mit vollem Blech wahrt Eleganz. Es ist eine Interpretation von souveräner Geschlossenheit. Ein gewisser Zweifel schleicht sich ein, weil es ein Bruckner so ganz ohne Schmerzen ist, selbst im großen Adagio.

Als renommierter Solist des Abends spielt Leonidas Kavakos das Violinkonzert von Alban Berg. Mit introvertiertem Glanz, feiner Doppelgriff- und Flageoletttechnik vermittelt seine Kunst, was in der Musik schwingt: Zwölfton, Volksweise, Andenken eines Engels, verschwiegene Liebe, Requiem. Ein Zeitgenosse berichtet, dass er Berg am Tag der Vollendung des Konzerts 1935 in einer kaum vorher erlebten Stimmung angetroffen habe: sehr freudig und tief melancholisch. Der Geiger beseelt den Ton dieses Zwischenreichs. Das EUYO, dem das Begleiten eine Seligkeit zu sein scheint, ist Kavakos seit langem vertraut.

Denn als 14-jähriger Nachwuchskünstler aus Griechenland war er selbst dem Jugendorchester beigetreten, um unter Solti und Haitink mitzuspielen. Eine Erfolgsgeschichte, die für das Ganze steht.

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