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Kultur: Wilde Jagd

Alexej Gorlatch spielt Beethoven und Chopin.

Nanu, litt Beethoven unter einer schweren Schizophrenie? Kein abwegiger Gedanke, hört man Alexej Gorlatch die Klaviersonate op. 31 Nr. 2 („Der Sturm“) spielen. Ein arpeggierter Largo-Akkord, ganz zuckrig hingetupft – und dann sofort der Umschlag. Im heftigen, ungestümen Allegro geht es weiter. Die krassen, schroffen Kontraste zwischen Lyrischem und Expressivem wird Gorlatch im Verlauf seiner Interpretation noch weiter ausbauen. Das klingt oft ein bisschen zusammenhanglos und wenig vermittelt, aber es besitzt zweifellos Dramatik. Der 25-jährige Ukrainer studiert in Hannover, 2011 gewann er den ARD-Musikwettbewerb, im Januar erscheint seine vierte CD – mit drei Beethoven-Sonaten. Jetzt hat sich Gorlatch im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek dem Berliner Publikum vorgestellt.

Dass er auch Witz besitzt, zeigt er in Schuberts 16 Deutschen Tänzen op. 33, deren rhythmischen Charakter er dermaßen überbetont, dass man wohl von Ironie sprechen muss. Nach der Pause: schon wieder Beethoven? Nein, es ist ein neues Stück, „Milking Darkness“ von Lera Auerbach, uraufgeführt im März. Wieder ein signifikanter Akkord zu Beginn, dann eine ähnliche Schärfung von Konflikten. Singuläre Töne, die wie Geister nachts im Museum umherzuhuschen scheinen, wechseln sich mit krachledernen Passagen ab. Was folgt, ist die seltene Gelegenheit, Richard Wagner mal als Komponisten für Klavier zu erleben. Dessen Sonate As-Dur bietet Gorlatch weniger Gelegenheit für Kontraste, er steigert die Intensität langsam und organisch vor allem im Mittelteil. Zum Höhepunkt gerät schließlich das Konzertfinale, Chopins Scherzo op. 31 b-Moll: sich überstürzende Kapriolen, donnernder Anschlag, trotzdem immer voller Glanz, saftig, vital, perlend. Vor allem dieser letzte Teil ist absolut preiswürdig gespielt. Udo Badelt

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