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Kultur: „Wir haben gute Karten“

Was wird aus der Messe? Sabrina van der Ley, künstlerische Leiterin des Art Forums Berlin, über Trüffelschweine, Spielgeld und Provinzialität

Frau van der Ley, Sie haben vor kurzem die Teilnehmerliste des 8. Art Forums Berlin vorgestellt. Zwei Dinge fallen auf: Die Zahl der Teilnehmer ist etwa um ein Drittel reduziert worden. Und viele der Berliner Galeristen sind nicht mehr dabei. Was ist passiert?

Die Reduzierung der Teilnehmerzahl ist eine Forderung des Galerienbeirats und geht einher mit dem Umzug in die schöneren historischen Messehallen von Richard Ermisch. Es ist in der Tat so, dass zehn wichtige Berliner fehlen. Aber die Mehrheit, 25 meist langjährige Berliner Aussteller, sind wie gewohnt vertreten, darunter Galerien wie Arndt & Partner, Nagel, Eigen + Art, Kicken, Diehl und Thomas Schulte. Der Anteil der Berliner macht damit wie in den Vorjahren ein Viertel aus. Eine stärkere Präsenz wäre schon hart an der Grenze, denn das Art Forum soll ja keine reine Berliner Veranstaltung sein.

Trotzdem spiegeln die Absagen Unzufriedenheit wider: Nachdem sich schon vor einigen Jahren Galeristen wie Max Hetzler oder Barbara Weiss zurückgezogen haben und der Messe Provinzialität und Kommunikationsmängel vorgeworfen haben, bleiben nun auch neugerriemschneider, Martin Klosterfelde oder Contemporary Fine Arts weg. Nicht einmal mehr alle Mitglieder des Beirats sind auf der Messe vertreten. Was ist schief gelaufen?

Diese Kritik wundert mich sehr, da die Berliner Galeristen durchaus vertraglich abgesicherte Mitspracherechte haben: erst als Sprecher, dann als Beiräte. Sie sind seit dem Jahr 2000 maßgeblich für die inhaltliche Ausrichtung der Messe verantwortlich. Wenn ihnen also jetzt etwas nicht gefällt, müssten sie sich untereinander beschweren. Und die gleichbleibend hohe internationale Beteiligung, 55 Prozent der Galerien kommen aus dem Ausland, widerspricht wohl deutlich der vorgeblichen Provinzialität.

Ist es nicht ein Grundproblem der Messe, dass sie so abhängig von Galeristen ist, die ja immer auch Eigeninteressen vertreten?

Ich habe es immer als das zentrale Merkmal des Art Forums angesehen, dass es eine Messe von Galerien für Galerien ist. Dies stellt sicher, dass die Bedürfnisse der Galeristen gehört und umgesetzt werden. Das fängt bei der Ausstattung an, die es zulässt, einen Messestand zu bauen, der eher wie eine Ausstellung aussieht. Wenn sich die Galeristen der Sache wirklich annehmen, ist es das richtige Modell. Doch ist es einigen offensichtlich schwer gefallen, die eigenen Interessen zu Gunsten eines gemeinsamen Projektes auch einmal zurückzustellen.

Es war ja in den letzten Jahren zu beobachten, dass gerade zum Art Forum in den Galerien starke Ausstellungen platziert werden und die speziell eingeladenen Sammler von der Messe ablenken...

Es ist doch wunderbar, dass sich die Galerieszene zur Messe im besten Kleid zeigt. Daran sieht man auch, dass sie besonderes Interesse an dem zur Messe anreisenden Publikum hat. Wenn sie jedoch die Käufer von der Messe abzieht, so ist das wenig elegant. Denn die hiesigen Galerien sollten sich vor allem auch als Gastgeber verstehen. So sah auch die an sich hervorragende Idee der Gemeinschaftsstände vor, dass die Berliner ihren auswärtigen Partnern den Einstieg in den Berliner oder deutschen Markt erleichtern. Dazu gehört dann aber auch, dass man mal etwas zurückstehen können muss. Daran haperte es manches Mal, und das wurde dann auch von Partnergalerien bemängelt.

Wären solche Prozesse nicht mit einer starken, unabhängigen, von allen akzeptierten Figur an der Spitze der Messe besser zu steuern gewesen? Samuel Keller zum Beispiel hat die Art Basel ganz deutlich geprägt.

Nein, ich glaube nicht. Während das Art Forum gerade mal acht Jahre jung ist, ist die Art Basel eine in 34 Jahren gewachsene Veranstaltung, die von einem großen Team realisiert und ebenfalls von einem Galerienkomitee beraten wird. Sam Keller repräsentiert seit 2000 als Messechef die Art Basel, aber alle Messen hängen von mehr Faktoren als einer Persönlichkeit ab. Man hat es im Kunstmessengeschäft – und das ist ja das Faszinierende – mit lauter Individualisten zu tun. Man kann das bis zu einem gewissen Grade bündeln und moderieren, genau dafür sind unser Team und der Galerienbeirat zuständig. Wenn man das Art Forum aber zu stromlinienförmig in eine Richtung lenkte, würde es seinen Charakter verlieren.

Was könnte man darüber hinaus verbessern? Ist das Instrument Art Forum wirklich so gut, wie es sein könnte?

Das Instrument Kunstmesse ist immer so gut wie der Markt. Und es ist kennzeichnend für die Marktentwicklung der Gegenwartskunst, dass sich auch etablierte Messen wie Basel und Köln in diesem Sektor immer stärker engagieren. Dem Bereich der Klassischen Moderne geht die Ware aus. Zudem hat die Bedeutung von Messen insgesamt zugenommen: Viele Galeristen klagen inzwischen, dass sie nur noch auf Messen besucht werden und in den Galerien zu wenig passiert.

Aber wäre das nicht eine große Chance für das Art Forum? Und verschenkt man nicht den besonderen Charakter der Berliner Messe, indem man in den klassischen Messehallen am Funkturm bleibt, anstatt dorthin zu gehen, wo die Szene wirklich lebt?

Alternative Standorte sind immer wieder diskutiert und geprüft worden. Soll man irgendwo ein Zelt aufbauen, in eine ehemalige Industriehalle, ins Kongresszentrum am Alex oder in den Flughafen Tempelhof gehen? Aber wir mussten feststellen, dass es keinen Ort in Mitte gibt, der groß genug wäre – man braucht ja mindestens 12000 Quadratmeter – und zudem noch alljährlich zum gleichen Zeitpunkt für sechs Tage verfügbar ist. Die jetzt vorgesehenen ErmischHallen haben Kunsthallen-Charakter.

Für eine klassische Kunstmesse mag das stimmen. Aber steht Berlin als Standort nicht für etwas anderes?

Berlin ist vor allem eine Hochburg der zeitgenössischen Kunstproduktion. Und genau das spiegelt das Art Forum wider, mit der Konzentration auf Gegenwartskunst, künstlergestalteten Lounges und Standarchitekturen, die jedes Experiment erlauben. Man orientiert sich inhaltlich an dem, was in Berlin-Mitte passiert. Die Besonderheit des Art Forums ist, dass hier immer wieder neue Positionen vorgestellt wurden, die dann schnell international Erfolg hatten. Wir sind das Trüffelschwein, zum Beispiel im osteuropäischen oder skandinavischen Bereich.

Ist das Kunstangebot in Berlin eigentlich attraktiv genug, um potente Kunden hierher zu locken? Gibt es in Basel, London oder Madrid nicht doch die spannenderen Privatsammlungen, die größeren Ausstellungen, das reichere Museumsangebot? Versuche, mit dem Kunstherbst eine Konzentration von Kunstereignissen zu schaffen, wirken dagegen etwas mau.

In Berlin leben und arbeiten viele der international wichtigen Künstler, hier sitzen ihre Galerien. Berlin könnte sicher mehr öffentlich zugängliche Privatsammlungen vertragen wie die Sammlung Hoffmann, das gerät mit Marzona und jetzt Flick ja auch in Bewegung. Aber das Ausstellungsangebot sieht in diesem Jahr besser aus. Es gibt mit „Berlin Moskau“, mit der Ausstellung „Kunst in der DDR“ in der Nationalgalerie und der slowenischen Künstlergruppe Irwin im Künstlerhaus Bethanien – Ausstellungen, die sehr berlinspezifisch sind. Dazu kommen hippe internationale Positionen wie Tom Sachs in der Deutschen Guggenheim oder Ron Mueck im Hamburger Bahnhof. Aber man wünscht sich schon, dass es häufiger zeitgenössische Blockbuster-Ausstellungen in Berlin gäbe.

Überhaupt sind ja die Beziehungen zwischen der Messe und den Berliner Museen nicht die besten. Es gab Zeiten, als die Staatlichen Museen auf der Messe noch eingekauft haben. Das findet nicht mehr statt.

Wir kooperieren mit allen Ausstellungshäusern in der Stadt, auch mit den Staatlichen Museen. 1999 bis 2001 ist es uns gelungen, Geld aus dem Lottotopf zu bekommen für Ankäufe durch die Nationalgalerie, den Hamburger Bahnhof und das Kupferstichkabinett. Damit war leider 2002 Schluss. Wir haben Klaus Wowereit deutlich gesagt, dass Berlin damit eine wunderbare Möglichkeit aus der Hand gibt, hochkarätige internationale Ware zu guten Preisen für die hiesigen Museen anzukaufen. Aber wenn der Regierende Bürgermeister eine bestimmte Geldsumme hört – damals waren es 100000 Mark – denkt er leider nur ans Sparen.

Das heißt, dass Sie sich von der Berliner Politik zu wenig unterstützt fühlen?

Dieser Senat hat es mit der bildenden Kunst nicht so sehr. Da herrscht oft ein verstaubtes Kulturverständnis, nach dem Motto: „Wir kaufen nur bei Künstlern, nicht bei Galerien“. Das geht aber an der Realität des Kunstbetriebs vorbei und bringt keine neuen Werke in die Sammlungen. Wenn man nicht einmal eine überschaubare Summe für noch günstige, weil frühzeitige Ankäufe bereitstellt, verpasst man den Anschluss an die Zukunft.

Wie sieht es von Seiten der Bundespolitik aus? Die Ankaufskommission für die Bundeskunstsammlung wird während des diesjährigen Art Forums zusammentreten, und Kulturstaatsministerin Christina Weiss schreibt das Grußwort im Katalog. Aber auf der Arco in Madrid geht der spanische König über die Messe, und die Sieben-Uhr-Nachrichten berichten.

(lacht) Wir hatten schon überlegt, den spanischen Kronprinzen sozusagen als „Leihkönig“ einzufliegen. Aber ernsthaft: Die Kooperation mit der Bundespolitik läuft besser als die mit der Stadt. Eine ganze Reihe von Politikern besucht regelmäßig das Art Forum, wie Richard von Weizsäcker, Antje Vollmer, Eckhart Barthel und Guido Westerwelle, um nur einige zu nennen. Sie haben einfach ein persönliches Interesse an Kunst. Es ist ein gutes Zeichen, dass der Bund diese Messe, die ja in der Hauptstadt stattfindet, auch begleitet.

Aufmerksamkeit hin oder her: Am Ende steht und fällt jede Messe mit ihren Verkäufen. Und da blieb das Art Forum von Anfang an hinter den Erwartungen zurück. Wie steht es um Ihre Zahlen?

Auch das wird von Jahr zu Jahr besser, mit einem Einbruch unmittelbar nach dem 11. September. Aber selbst da ist die Messe noch ganz gut gelaufen. Auf dem Art Forum werden die besten Umsätze im Bereich Gegenwartskunst erzielt. In absoluten Zahlen sieht das im Vergleich mit den auch mit klassischer Moderne handelnden Messen natürlich anders aus, aber das liegt eben daran, dass unsere Aussteller vorrangig noch wenig etablierte Positionen präsentieren. Aber ohne Frage: Es könnte noch besser gehen, und manchmal wünsche ich mir auch ein Schweizer Bankensystem im Hintergrund, wo alle ihr „Spielgeld“ liegen haben.

Das Art Forum ist ja nicht die einzige Messe, die zu kämpfen hat. Auch die Art Cologne fürchtet um ihre Teilnehmer. Und in London eröffnet in diesem Jahr die „Frieze Art Fair“ genau zwei Wochen nach dem Art Forum und zieht viele Galeristen an, die sonst am Art Forum beteiligt waren. Herrscht ein Verdrängungswettbewerb unter den Messen?

Alle neuen Messen bringen erst einmal den Markt durcheinander. Im letzten Jahr war es Miami, in diesem Jahr ist es London. Erste Veranstaltungen sind immer spannend. Im Konzept ist Frieze eigentlich ein Kopie des Art Forums: Die gleiche klare Konzentration auf zeitgenössische Kunst, die Diskussionsveranstaltungen, die ortspezifischen Künstlerprojekte. Um am Markt zu bestehen, müssen alle Messen ein eigenes Gesicht entwickeln. Das Art Forum Berlin ist der Ort der Entdeckungen und weniger der „üblichen Verdächtigen“, damit haben wir gute Karten.

Das Gespräch führte Christina Tilmann.

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