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Kultur: "Wir sind alle Eckermann"

Hollywood ist weit an diesem Morgen.Keine Tränen, keine Begeisterungsstürme im edlen klassizistischen Festsaal des ehemaligen Residenzschlosses zu Weimar, keiner der Ausgezeichneten nimmt ein Bad in der Menge.

Hollywood ist weit an diesem Morgen.Keine Tränen, keine Begeisterungsstürme im edlen klassizistischen Festsaal des ehemaligen Residenzschlosses zu Weimar, keiner der Ausgezeichneten nimmt ein Bad in der Menge.Stattdessen gepflegte Zurückhaltung, freundlicher Beifall, erlesene Barockmusik und nur maßvoller medialer Auftrieb.Konträrer könnten sie nicht sein, die Preisverleihungen, die gestern in Los Angeles, der Großstadt am Pazifik, und in der Kleinstadt an der Ilm stattfanden.Hier ehrte das Goethe-Institut mit der diesjährigen Verleihung der Goethe-Medaillen die kulturelle Vielfalt Europas und den Traum einer Verständigung über alle Grenzen hinweg.

Eine Veranstaltung, die in diesem Jahr besonderes Gewicht bekommt, wenn es darum geht, in Weimar Personen zu ehren, die sich im Ausland um die deutsche Sprache und den internationalen Kulturaustausch verdient gemacht haben.Nicht, weil der Klassiker Goethe zu seinem 250.Geburtstag mit seinen Visionen von Weltbürgertum und Weltliteratur nicht schon genügend zitiert worden wäre.Nein, weil die fünf diesjährigen Preisträger sich allesamt einem klassischen Ideal der Humanität verpflichtet fühlen, für das auch, und sinnbildlich, Goethe und Weimar stehen."Es wächst endlich zusammen, was zusammen gehört.Und was zusammengehört, erkennt man an einer bereits vorhandenen inneren Einheit", faßte der Dichter und Botschafter der Tschechischen Republik in Österreich, Jiri Grusa, das Gefühl kultureller Verbundenheit in seiner Dankesrede zusammen.

Aus Israel, Italien, Frankreich, Rumänien und Tschechien waren sie nach Weimar gekommen, die fünf Politiker, Dichter, Künstler und Gelehrte, um am Todestag Goethes aus der Hand des Goetheinstituts-Präsidenten Hilmar Hoffmann die Medaillen entgegenzunehmen und gleichzeitig die Wurzeln zu betonen, die sie alle in Deutschland und seiner Kultur haben.Studienaufenthalte hatten Leoluca Orlando, den Bürgermeister von Palermo, und Andrei Gabriel Plesu, den rumänischen Außenminister, einst nach Heidelberg geführt.Michel Bataillon, der französiche Regisseur, hatte in Leipzig bei Werner Krauss und Hans Mayer gelernt und Brecht in Frankreich bekannt gemacht.Der Künstler Dani Karavan schuf, beeinflußt durch Walter Benjamins "Passagenwerk", wichtige Werke in Deutschland.Und Jiri Grusa hat nach seiner Zwangsausbürgerung 1980 lange Jahre in Bonn gelebt, zuletzt als Botschafter, und mit "Babylonwald" und "Wandersteine" zwei Gedichtbände in deutscher Sprache veröffentlicht.

Gleichzeitig ehrt das Goethe-Institut auch wertvolle Mitstreiter in eigener Sache.Leoluca Orlando, der als "Orlando furioso" seit 1985 einen unermüdlichen Kampf gegen die Mafia führt und als Bürgermeister von Palermo seiner Stadt einen "neuen Frühling" bescherte, setzte sich 1997 erfolgreich gegen die Schließung des Goethe-Instituts in Palermo ein.Michel Bataillon, seit 1972 Regisseur am Theatre National Populaire in Lyon, begründete mit dem dortigen Goethe-Institut einen fruchtbaren Austausch deutscher und französicher Theater und machte Bertolt Brecht, Max Frisch und Peter Weiss in Frankreich bekannt.Dani Karavan entwarf auf Anregung des Goethe-Instituts die Gedenkstätte für Walter Benjamin im südfranzösichen Portbou und die "Straße der Menschenrechte" in Nürnberg.Und Andrei Gabriel Plesu, der das Preisgeld des ihm verliehenen New Europe Prize for Higher Education and Research zur Gründung des "New Europe College" in Bukarest verwendete, einer Stiftung für europäische Stipendiaten, Plesu wird im Mai in Berlin ein Rumänisches Kulturinstitut eröffnen.

Neben ihrem Verdienst um die Kultur in Deutschland, wurden aber auch Verfechter des Ideals eines politisch engagierten Kulturverständnisses ausgezeichnet, das die Preisträger immer wieder zwischen "betrachtender Schöngeisterei" und "handelndem Pragmatismus", zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik wechseln ließ, wie der Juryvorsitztende Peter Wapnewski es in seiner Laudation auf Andrei Gabriel Plesu formulierte.Plesu, der in seiner Festrede im Anschluß ein Loblied auf Goethes Sinnlichkeit sang, fand für seine liebevolle Verbundenheit mit dem deutschen Dichter und dem, für das er steht, das passende Bild: "Es hätte ihm sicher gut gefallen, selbst mit der Medaille ausgezeichnet zu werden.Aber es hätte ihm auch gefallen, daß wir sie bekommen.Denn wir bewundern und bewahren ihn.Wir sind alle Eckermann."

CHRISTINA TILMANN

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