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Kultur: Wir sind die Dummen

Im Gagschraubstock: das „Ladykillers“-Remake der Brüder Coen

Das Chamäleon hat der Evolution zwei Vorteile abgetrotzt. Es kann die Farbe wechseln und sich damit seiner Umwelt anpassen. Außerdem ist es in der Lage, die Augen gleichzeitig in verschiedene Richtungen zu bewegen – und behält so alles im Blick. Die Regisseure Joel und Ethan Coen benehmen sich seit geraumer Zeit wie die Chamäleons des Kinos. Die beiden Brüder wählen – stilistisch oder thematisch – eine Kinoepoche und starren dabei mit einem Auge gebannt auf die Vergangenheit. Mit dem anderen schielen sie immer auf die Gegenwart: O USA, Where Art Thou? Dieser Silberblick ist nicht nur ziemlich komisch, sondern hält auch im schlechtesten Fall immer ein gelungenes Stück Americana bereit.

Diesmal haben die Coens ein Auge auf die britische Filmgeschichte geworfen. Dabei sind sie auf Alexander Mackendricks „The Ladykillers“ gestoßen, ein Urgestein der Diebstahlskomödie, und verfrachten den Stoff aus dem urbanen England der Fünfzigerjahre ins ländliche Mississippi von heute. Das bietet ihnen die Gelegenheit, sich der Liebe zur afroamerikanischen Kultur zu versichern. Auf einmal ist die unwissende Lady, bei der sich das dämliche Diebesquintett einquartiert, um einen Geldraub vorzubereiten, kein fragiles englisches Schachtelchen mehr, sondern eine resolute schwarze Matrone (Irma P. Hall). Und wie es sich für eine Südstaaten-Christin gehört, liebt die dicke Dame Gospelsongs und kann mit dem neumodischen „Hippety-Hop“-Zeugs gar nichts anfangen (wobei der Soundtrack von beidem beherrscht wird, Gospel und Rap).

Andererseits eröffnet sich durch die Neuverfilmung die Möglichkeit, ein eh schon amüsantes Originaldrehbuch in den Gagschraubstock zu spannen und dabei noch ein paar Witze mehr herauszuquetschen. Dazu gehören eine Mund-zu-Hund-Beatmung; ein Hitlerbärtchen-Buddhist, der beinahe ein fremdes Gebiss verschluckt; und eine schwer haltbare Verdauungskrankheit, mit der sich die Regisseure in die geistige Nachbarschaft der Brüder Farrelly begeben.

Dabei muten die Coen-Brüder, schon immer gutgelaunte Sadisten, ihren Figuren einige ganz schlimme Grausamkeiten zu. Zum Witzüberschuss gehört zudem das krachende Aufeinanderprallen der schwarzen Lady und ihrer Fünfer-Rasselbande, die es zur größten Idiotentruppe seit M.A.S.H. schaffen könnte. Dieser Gruppe steht Dr. G. H. Dorr vor – und Tom Hanks stattet ihn als Alec-Guiness-Nachfolger mit Hyperventilationsgekicher und einer Gespreiztheit aus, die immer nah an der Grenze zur Übertreibung liegt. Remake und Original verhalten sich zueinander wie ein Supersize-Burger zu einer Portion englischem Porridge. Geschmackssache also.

Was „Ladykillers“ allerdings zu einem Ereignis macht (das leider nur in der Originalversion funktioniert), ist die Orchestrierung der zahllosen Dialekte und Slangs. Die Coens erweisen sich dabei als Dirigenten mit perfektem Gehör: Virtuos schwingen sie ihren Taktstock über dem babylonischen Sprachgewirr namens Englisch.

In 20 Berliner Kinozentren; OV im Cinestar SonyCenter, OmU im Babylon Kreuzberg und im Cinemaxx Potsdamer Platz

Julian Hanich

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