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Kultur: Wir Spackos

Kai Müller über einen niedersächsischen Karnevalssong Und? Was sagt der Kanzler?

Kai Müller über

einen niedersächsischen Karnevalssong

Und? Was sagt der Kanzler? Lässt sich sowas bieten – und schweigt? Man weiß nicht, was einen dieser Tage mehr erschüttern soll: die Fastnachtsfröhlichkeit des „Steuersongs“, mit der SchröderImitator Elmar Brandt sich über die Sparpläne der Regierung lustig macht („Was du heute kannst versprechen / darfst Du morgen wieder brechen“), oder die Sprachlosigkeit des Kanzlers. Aber warum interessiert uns eigentlich, was Schöder selbst von dem Song hält?

Es könnte uns egal sein. Die Satire richtet sich nicht einmal gegen seine Person. Jedenfalls nicht so, wie wir es aus den zahllosen Birne-Parodien kennen, mit denen Amtsvorgänger Helmut Kohl immer wieder als Typ unmöglich gemacht werden sollte. Brandts „Steuersong“ hat das Spiel mit den Charaktermacken gar nicht im Sinn, er ist viel besser, viel genauer. Indem er die Politik Schröders in ihrer raffiniert-zynischen Hilflosigkeit aufs Korn nimmt, trifft er ein politisches Klima der Resignation: „Ich erhöh’ euch die Steuern / Gewählt ist gewählt, Ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern / das ist ja das Geile an der Demokratie.“ Wir „Spackos“, wie Brandt uns Wähler nennt, fühlen uns ertappt. Betrug hatte der Wahlkämpfer Schröder gar nicht nötig, um uns rumzukriegen. Seine Kumpanei („Hol mir mal ’ne Flasche Bier“) war einfach attraktiver als Stoibers Beamten-Schliff. Wenn sich auch nichts zum Besseren wendet, soll das Nichts wenigstens Spaß machen.

Die Satire blüht in düsteren Zeiten. Sie attackiert, was nicht mehr zu ändern ist. Und die Aussichten der Schröder-Regierung sind für Galgenhumor wie gemacht. Ein Land, das sich selbst als Innovationsmaschine versteht und über ein vorbildliches Sozialstaatsmodell zu verfügen glaubt, bringt die Kraft für einschneidende Strukturreformen nicht mehr auf. Wenn das nicht ein Grund ist, sich totzulachen.

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