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Kultur: Witwen und Löwen

Den Berliner Auktionsherbst läuten Vorbesichtigungen und erfolgreiche Versteigerungen ein

Anmutig thront die „Sitzende Löwin“ auf ihrem Sockel. Die Raubkatze aus Porzellan wirkt erhaben über all dem Gold, das von reich verzierten Tellern oder erlesenen KPM-Vasen zur Vorbesichtigung in der Berliner Dependance des Kölner Kunsthauses Lempertz glänzt.

Gefertigt wurde sie 1733 in der Meißner Porzellanmanufaktur für August den Starken. Der Bildhauer Johann Gottlieb Kirchner, erster Modellmeister in Meißen, hat die fast lebensgroße Figur zwar als Tigerweibchen geformt, doch ein Schreibfehler machte sie zur Löwin. Nahezu 600 Vierfüßler und Vögel ließ August II. für eine geplante Menagerie im Japanischen Palais anfertigen. Teile der Dresdner Porzellansammlung wurden 1924 im Rahmen der Fürstenabfindung an das einstige Königshaus Wettin zurückgegeben. Darunter auch die „Sitzende Löwin“, die Ende 1930 veräußert wurde und über 70 Jahre in rheinländischem Familienbesitz schlummerte.

Der stolze Schätzpreis (800 000- 1 000 000 Euro) ist nicht nur der Marktfrische und der bis auf feine Brandrisse und den etwas grob restaurierten Schwanz nahezu perfekten Erhaltung geschuldet. 2006 gab ein Löwenpaar – ebenfalls von Kirchner für August II. geformt – eine Steilvorlage: Nachdem es an die Nachfahren zurückgegangen war, spielte es bei Christie's in London 2,8 Millionen Pfund ein.

Die Erwartungen für die Löwin überflügeln selbst die Moderne- und Zeitgenossen-Offerte bei Lempertz, von der eine Auswahl ab dem 10. November in Berlin zu besichtigen ist. Darunter Max Beckmanns Gouache „Löwenbändiger (Zirkus)“ von 1930 und auf 300 000 Euro taxiert. Etwas mehr wird für Ernst Wilhelm Nays Scheibenbild „Jota“ erwartet, während Max Ernsts 1925 entstandenes „La Forêt“ mit 600 000 bis 800 000 Euro die zweithöchste Schätzung der Herbststaffel im Kölner Kunsthaus bildet.

Die Berliner Herbstsaison wurde vergangenen Samstag vom Auktionshaus Lehr eingeläutet, wo Fritz Winters „Blühen zwischen Steinen“ seine Spitzenposition mühelos untermauern konnte. Schon der Aufruf erfolgte oberhalb der Schätzung von 40 000 Euro. Schlussendlich eiferte die Auktionatorin im schriftlichen Auftrag gegen einen Telefonbieter aus Süddeutschland, der sich die dynamische Abstraktion zum Hammerpreis von 63 000 Euro sicherte.

Auf weniger Widerstand traf ein Berliner Sammlerpaar bei zwei Frühwerken von Neo Rauch. „Die Werkstatt I“ wurde mit 21000 Euro zur unteren Taxe zugeschlagen, „Zündschnüre“ leicht über der Erwartung mit 28 500 Euro. Nur knapp dahinter konnte für die zu Unrecht vergessene Kate Diehn-Bitt ein neuer Rekord aufgestellt werden. Die um 1936 in beeindruckender Neusachlichkeit gemalte „Witwe“ ging für 27 000 Euro an einen Berliner Händler. Mit einem Bruttoumsatz von rund 1,25 Millionen Euro und einer Zuschlagsquote von 85 Prozent ein durchaus hoffnungsvoller Auftakt. Michaela Nolte

Kunsthaus Lempertz, Poststr. 22; Vorbesichtigung: 5. & 6. 11., jeweils 10 - 17 Uhr.

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