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Kultur: Wo alle Karten enden

Der Deutsche Buchpreis, heißt es, wird jährlich für den „besten Roman in deutscher Sprache“ verliehen. Katharina Hacker hat diesen Preis auf der Frankfurter Buchmesse für „Die Habenichtse“ bekommen.

Der Deutsche Buchpreis, heißt es, wird jährlich für den „besten Roman in deutscher Sprache“ verliehen. Katharina Hacker hat diesen Preis auf der Frankfurter Buchmesse für „Die Habenichtse“ bekommen. Darin geht es, vor dem Hintergrund des 11. September, um die Generation der 30- bis 40-Jährigen. Eine Generation, der es angeblich so gut geht, dass sie nicht einmal merkt, was ihr eigentlich fehlt. Ein gutes Buch, gewiss. Aber der „beste Roman in deutscher Sprache“?

Immerhin gibt es einen anderen Roman, der ebenfalls in die engste Auswahl kam und dem größte Siegchancen eingeräumt wurden. Er erzählt von dem deutschen Biografen Niklas Kalf, dessen Frau bei einer Reise in die USA entführt wird. Und er erzählt von einem Amerika, das unmittelbar vor dem Krieg gegen den Irak steht. Freiheit und Gewalt gehören hier wie selbstverständlich zusammen. Das Land schillert zwischen knallharter Realität und Kino, zwischen George Bush und Al Pacino. Es ist längst nicht mehr Hort der Utopie, hat aber noch etliche Verheißungen parat. Dieser Roman will der Essenz unserer Gegenwart auf den Grund gehen. Er inszeniert eine Suche nach Amerika, die letztlich eine Suche nach uns selbst ist. Denn verhandelt wird – in Gestalt Kalfs – deutsche Identität im 21. Jahrhundert. Verhandelt wird – und zwar in höchst poetischen Bildern –, „Woraus wir gemacht sind“ (Kiepenheuer & Witsch). Das könnte man ohne Weiteres als „besten Roman in deutscher Sprache“ in diesem Jahr bezeichnen. Am 23.10. (20 Uhr) kommt der Nicht-Buchpreisträger Thomas Hettche mit seinem Roman zur „Buchmesse im Prenzlauer Berg“ in den Georg Büchner Buchladen (Wörther Str. 16) .

So wie Hettche die deutsche Gegenwart zwischen Europa und Amerika kartiert, tat das einst der Schwede Olaus Magnus mit seinem Land in seiner Zeit. Der katholische Kanonikus Magnus (1490 – 1557) war unter König Gustav Wasa, der sich aus politischen Gründen auf Seiten des jungen Protestantismus schlug, außer Landes gegangen. Zuvor aber hatte er einen Großteil Skandinaviens als Gesandter bereist und nutzte nun die Zeit seines Exils in Danzig und Venedig zur Herstellung einer Carta marina und einer „Beschreibung der Völker des Nordens“. Karte und Kommentar sind deswegen so interessant, weil sie einen Umbruch im Weltbild markieren. Einerseits verzeichnet Magnus in seiner Skandinavien-Karte wunderlichste Meeresungeheuer, waffenstarrende Krieger und die mythische Insel Thule. Andererseits profitiert er von der Erfahrung seiner Reisen und wird als einer der Ersten den tatsächlichen geographischen Gegebenheiten gerecht. Der Text wurde jetzt in Eichborns „Anderer Bibliothek“ neu aufgelegt. Und die als Reproduktion beigegebene „Carta marina“ versetzt jeden halbwegs Kartophilen in Begeisterung. Am 18.10. (19 Uhr) stellt der Herausgeber Reinhard Kaiser „Die Wunder des Nordens“ in den Nordischen Botschaften vor (Rauchstr. 1, Tiergarten).

Gerade heute ist Magnus’ Blick höchst aufschlussreich. Denn der sieht märchenhafte Exotik und Barbarentum nicht in Bagdad oder Basra lauern, sondern in unserem ach so aufgeklärten Europa.

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