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Islamkritiker und die Anschläge von Norwegen: Wohin mit dem Hass?

Im Internet bestreiten Islamkritiker einen Zusammenhang zu den Attentaten in Norwegen. Doch ihre Rhetorik ist verräterisch. Was die Neue Rechte im Netz indes vermissen lässt, ist die Fähigkeit zur Selbstkritik.

Es dauerte nicht lange, da kursierten im Netz wieder die alten Witze, die man noch kennt, aus der Zeit nach Winnenden, nach Columbine, nach Erfurt. „Der Attentäter hat Brot gegessen – verbietet das Brot!“ Mit solchen Sprüchen wurde versucht, die Suche nach den Hintergründen der Tat Anders Breiviks lächerlich zu machen, noch ehe Politiker populistische Forderungen ableiten konnten. Letztere verzichteten dann auch größtenteils auf die üblichen Verbotsvorstöße. Der Kurzschluss „Killerspiele + Heavy Metal + Sportschütze = Amok“ kam in der Aufbereitung der Ereignisse dankenswert selten vor, wohl auch, weil die Personalie Breivik unterkomplexes Räsonieren über die Ursachen der Tat kaum zulässt: Breivik lebt, er tötete nicht in seinem unmittelbaren Umfeld, und er hat einen intellektuellen Hintergrund, der lineare Ableitungen von seinen Interessen auf die Tat schwierig macht. Wer möchte schon behaupten, dass die Marx-Lektüre in direktem Zusammenhang mit vorgeblich anti-marxistisch motivierten Mordtaten steht?

Was aber noch schwerer wiegt: Breivik hat eine weltanschauliche Agenda. Wie die nun auf die Taten zu beziehen ist, darüber herrscht – zumindest in der deutschen Öffentlichkeit – eine wohltuende Uneinigkeit. Es gibt die, die die Schuld für den Anschlag des Rechtsterroristen bei den Rechtspopulisten sehen. Und es gibt die, die genau das ablehnen. Vordergründig zu Recht, gibt sich die paneuropäische Neue Rechte doch gern gewaltlos und verfasssungstreu. Nach dem Anschlag von Freitag distanzierten sich die einschlägigen Anti-Islamisten im Netz demonstrativ. Dem Eindruck, man sympathisiere mit Breivik oder empfinde gar „klammheimliche Freude“ über seine Taten, wurde vehement entgegengewirkt. „Aufs Schärfste“ verurteilte die Partei Die Freiheit die Anschläge, das Bündnis Pro Deutschland rief zu einer Mahnwache vor den Nordischen Botschaften in Berlin auf. Auch die Webseite Politically Incorrect (PI) nannte die Tat „abscheulich“, den Täter „offensichtlich geistesgestört“.

Die Rechtspopulisten als entrüsteter Gegenpol zum Rechtsterroristen? Auf den zweiten Blick wird dieses Bild schnell wieder brüchig. So fand die Abneigung gegenüber dem politischen Islam, die die Islamkritiker zweifellos mit Breivik teilen, völlig unpassenderweise Eingang in ihre Traueradressen. Die Freiheit etwa beließ es nicht dabei, „unsere freiheitlich-demokratische Rechtsordnung und damit unsere Lebensart zusammen mit unseren europäischen Partnern gegen jede Gefahr vom rechten und vom linken Rand“ verteidigen zu wollen; natürlich war hier auch gleich von „anderen menschenfeindlichen Ideologien wie dem Islamismus“ die Rede. „Christen und Konservativen ist jener Hass fremd, der islamistische Attentäter ebenso antreibt wie fanatisierte Einzelgänger a la McVeigh und Breivik“, hielt Pro Deutschland am Ende seiner Stellungnahme fest. Hier der christlich-konservative Mainstream, dort der Hass von Islamisten und sonstigen Perversen – die Parallelen zum Weltbild in Anders Breiviks Manifest sind eklatant. Noch in der Beileidsbekundung für die Opfer reproduzierte Pro Deutschland – bewusst oder unbewusst – die Rhetorik des Täters.

Die Neue Rechte als Nährboden von Breiviks Weltbild. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Besonders verräterische Nähe zu Breivik zeigte sich aber dort, wo Islamismuskritik besonders oft fließend in Islamkritik übergeht. Politically-Incorrect-Autor „Frank Furter“ schrieb unmittelbar nach dem Anschlag vom „Bärendienst“, den Breivik der „islamkritischen Szene“ erwiesen habe. Nach dieser – gelinde gesagt – ungewöhnlichen Kontextualisierung eines Massakers ratterte auf der Webseite, zwischen Meldungen über die Verfehlungen der baden-württembergischen „Türkenministerin“ und subventionierter „Ekelkunst von Zuwanderern“, die rechte Rechtfertigungs- und Schuldzuweisungsmaschine. Am 25. Juli war in einem Beitrag zu lesen, dass auf der Insel Utoya kurz vor den Attentaten eine Veranstaltung zur Anerkennung eines Palästinenserstaates stattgefunden habe. Hernach wurde die „zunehmend von Linken kontrollierte Medienzunft“ aufs Korn genommen, die die „Islamkritiker“ in „Sippenhaft“ nehmen wolle und sich dabei mit Vorliebe auf einzelne Leserkommentare berufe, mit denen der „Islamhass“ belegt werden solle.

Dass unlautere Recherche gar nicht nötig ist, um die Neue Rechte als einen Nährboden von Breiviks Weltbild auszumachen, belegen die rechten Wortmeldungen indes in fast jedem Satz. Es sind die Fiktionen des Anderen, es ist die permanente Präsenz eines unterschwelligen „Wir gegen Euch“, die für die Islamkritiker scheinbar notwendige Diskriminierung einer Gruppe aufgrund ihrer religiösen Überzeugung, die PI, Pro Deutschland & Co mit Breiviks Manifest teilen. Dass sich etwa der oben zitierte Schluss der Beileidsbekundung der Partei Die Freiheit fast genau so liest wie das „Oppose all hate-ideologies“, das Anders Breivik in seinem Manifest als oberste Regel für alle Tempelritter ausruft, zeigt recht deutlich, wo sich die Enden treffen; ebenso, dass PI wie auch Breivik selbst mit Verve über die „Hass-Konstrukte“ des Gegners schreibt: Es ist ein Anti-Hass-Hass, den die anti-islamische Rechte seit Jahren propagiert. In Breivik hat sich nun einer gefunden, der das politische Programm in Terror übersetzt hat.

Dass die Rechten nicht für Breiviks Taten in Haft genommen werden möchten, ist dabei natürlich legitim. Breivik – das steht zu vermuten – hat nicht primär gemordet, weil er rechte Blogs gelesen hat, genau so wenig, wie er gemordet hat, weil er Brot gegessen oder marxistische Klassiker gelesen hat, sondern aufgrund einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung. Was die Neue Rechte im Netz indes vermissen lässt, ist die Fähigkeit zur Selbstkritik. Immerhin sind es die gleichen Kreise, die einen direkten Zusammenhang von islamistischem Terror und „kriegerischer“ Tradition des Islam betonen, die nun eine ähnlich lose Brücke zwischen sich selbst und Anders Breivik zu kappen versuchen. Und das alles mit einer radikalen Rhetorik, die nur allzu oft an jene des Attentäters erinnert.

Vielleicht ist es daher das Beste, jene, die sich so gern auf die pluralistische westliche Gesellschaft berufen, im Wissen um die Schwierigkeit einer allzu simplen Schuldzuweisung einfach zu fragen, wie sie sich das langfristig vorstellen: die offen propagierte Ausgrenzung einer Religionsgemeinschaft, ohne dass es irgendwann zu Gewalt kommen soll. Und ohne dass die vorgebliche Kritik am angeblichen Hass der Anderen endgültig zu eigenem Hass wird.

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