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Kultur: Wolfskinder

Wenn ein Buch aus dem Moskauer Ad Marginem Verlag auf deutsch erscheint, hat es seinen Skandal in Russland für gewöhnlich schon hinter sich. Doch im Vergleich zu Sorokins virtuellen, in der Rezeption skandalisierten Wahnwelten, und Prochonows politisch brisanten Schundromanen kommt das 2001 erschiene Romandebüt des mittlerweile in Berlin lebenden Ukrainers Michail Jelisarow merkwürdig anachronistisch daher.

Wenn ein Buch aus dem Moskauer Ad Marginem Verlag auf deutsch erscheint, hat es seinen Skandal in Russland für gewöhnlich schon hinter sich. Doch im Vergleich zu Sorokins virtuellen, in der Rezeption skandalisierten Wahnwelten, und Prochonows politisch brisanten Schundromanen kommt das 2001 erschiene Romandebüt des mittlerweile in Berlin lebenden Ukrainers Michail Jelisarow merkwürdig anachronistisch daher. Man ist versucht, in der lakonisch erzählten Geschichte zweier Findelkinder, die ihre Jugend im Irrenhaus verbringen, eine späte Parabel auf die Sowjetunion und ihr Ende zu sehen: Erst nach ihrer Entlassung aus der Klapse werden die Männer zu Idioten, die nicht wissen, was Geld wert ist und nicht verstehen, dass ab jetzt jeder des anderen Wolf ist. Doch die vordergründige sozialpathologische Lesart dieser literarischen Ohnmachtsfantasie führt nicht weit. Der bucklige Gloster und sein mit magischen Kräften begabter Freund Bachatow sind wie ein siamesisches Zwillingspaar, dem das Schicksal zufälligerweise getrennte Körper, aber nur ein Leben gegeben hat. Dessen Gesetzen sind sie restlos ausgeliefert.

Michail Jelisarow: Die Nägel. Roman. Aus dem Russischen von Hannelore Umbreit. Reclam Leipzig. 120 Seiten, 14,90 €.

Stefanie Flamm

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