zum Hauptinhalt

Kultur: Würfelkunst

über das Wohnen in der Moderne Der große Le Corbusier hat einmal gesagt, ein Haus müsse wie eine Landschaft sein, in der die Bewohner herumspazieren. Aber nicht nur ein einzelnes Haus, auch eine ganze Stadt kann Ähnlichkeit mit einer Landschaft haben, besonders wenn man von oben auf sie herabblickt.

über das Wohnen in der Moderne Der große Le Corbusier hat einmal gesagt, ein Haus müsse wie eine Landschaft sein, in der die Bewohner herumspazieren. Aber nicht nur ein einzelnes Haus, auch eine ganze Stadt kann Ähnlichkeit mit einer Landschaft haben, besonders wenn man von oben auf sie herabblickt. „Utopian Architecture“ nennt sich die aktuelle Ausstellung bei upstairs Berlin , in der dieser Effekt ausgiebig zum Tragen kommt (Zimmerstraße 90/91, bis 6. August). Emma Stibbon , Jahrgang 1962, lebt normalerweise im englischen Bristol, doch Berlin faszinierte sie schon als Kind. Nun hat sie der Stadt eine Serie von Holzschnitten gewidmet. Zwar dienten ihr dabei reale Orte als Vorbilder, aber davon ist nicht mehr viel zu erkennen. Der Alexanderplatz, das Olympiastadion, der Flughafen Tempelhof und eben Le Corbusiers Unité d’habitation an der Heerstraße – das sind nur einige der Motive, die Stibbon fast bis zur vollständigen Abstraktion verfremdet. Es entstehen schlaglichtartig beleuchtete Rechtecke, Trapeze, Kurvaturen, die die Ambivalenz der Moderne und ihrer Travestien zum Greifen nahe heranrücken (Aufl. 5, zwischen 3900 und 4500 Euro).

Der zweite Künstler in dieser Ausstellung ist der zehn Jahre jüngere Ian Monroe , schottisch-stämmiger Amerikaner aus Cooperstown, New York. Auch Monroe hat eine enge Beziehung zur Baukunst: Sein Großvater war Architekt und entwarf zwei Idealstädte der Klassischen Moderne in der amerikanischen Peripherie. Bei Monroe, dem Enkel, sind davon nur noch Rudimente vorhanden: Quader, Würfel und Zylinder, die er wie bei einer Computeranimation in großer Zahl und loser Anordnung auf seine meist aus Aluminiumplatten bestehenden Bildträger collagiert (3800 bis 35000 Euro). Wirkt insgesamt alles ziemlich losgelöst – wie eine Mischung aus „Star Trek“ und Stanley Kubricks „Odyssey 2001“.

* * *

Angesichts von so viel Makroperspektive kann ein bisschen Nahsicht nicht schaden. Vor einiger Zeit hat die Malerin Kerstin Drechsel , 1966 in Reinbek bei Hamburg geboren, die Wohnung ihrer psychisch nicht ganz stabilen Mutter in all ihrer grotesken Unordnung in einer Bilderserie dagestellt. Jetzt zeigt sie in der Galerie Laura Mars Grp. (Sorauer Straße 3, bis 29. Juli) unter dem Titel „Unser Haus“ eine neue Serie von Gemälden, und auch dabei handelt es sich vordergründig wieder um eines dieser Wohnungsporträts. Man schaut in Zimmer und auf Ausschnitte von Zimmern, auf Regale und Ausschnitte von Regalen, wobei die Ausschnitte ihrerseits ausschnitthaft bleiben (1900 bis 7500 Euro). Denn Drechsel lässt zwischen den fein nuancierten und stark verdünnten Farben auf der Leinwand auch ein paar Stellen frei. Diese darf der Betrachter dann in Gedanken selber füllen – und sich dabei die Frage stellen, wie realistisch eigentlich Realismus ist.

Ulrich Clewing

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false