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Kultur: XY ungelöst

Filme über Transsexuelle im PANORAMA

Bei einer Anrede wie „Sehr geehrte Damen und Herren“ rechnet eigentlich niemand mit empörten Leserbriefen. Doch immer häufiger gibt es sie. Darin steht dann: Ich, transsexuell, fühle mich von Ihnen ausgegrenzt. In den letzten Jahren haben sich Transsexuelle verstärkt zu Wort gemeldet. Deren Probleme beginnen schon damit, dass es den Betroffenen schwer fällt, sich zu definieren: gestern noch transsexuell oder intersexuell, heute transidentisch, morgen transgender. In Deutschland beträgt ihre Zahl zwischen 7000 und 10 000.

Einer Schätzung zufolge ist einer von 2000 Körpern nicht eindeutig männlich oder weiblich. Dass man statt transsexuell lieber transidentisch sagt, leuchtet ein: Denn anders als bei der Hetero-, Bi- und Homosexualität ist bei der Transsexualität die Partnerwahl nicht entscheidend. Es gibt Frauen, die sich zum Mann umoperieren lassen, um mit einer Frau zusammenzuleben – sie definieren sich nicht als lesbisch, sondern als heterosexueller Mann. Andere Frauen wiederum wollen nach ihrer Operation als schwuler Mann leben. Noch irritierender sind Transidentische, die eine genitalangleichende Operation ablehnen. So gibt es Männer, die ihren männlichen Körper behalten, aber im Personalausweis als Frau bezeichnet werden wollen. Sie sind jedoch keine Transvestiten. Ihnen ist nicht nach selbstironischen Rollenspielen und schrillen Drag- Shows zumute.

Von seelischer Not erzählt die Geschichte von Alexi, mit der Elisabeth Scharang den Film „Tintenfischalarm“ gedreht hat. Alexi, Jahrgang 1976, wurde im Alter von zwei Jahren am Genitalbereich operiert. Korrigiert, sagen die Ärzte, und bezeichnen damit die Amputation der männlichen Organe sowie die Implantation einer Scheidenplastik. Aber Alexis Operation ist misslungen. Alexi fühlt sich nicht als Frau. Sie verspürt das „männliche“ Bedürfnis zu penetrieren. Damit steht sie völlig im Widerspruch zu Gender-Theoretikern wie Judith Butler, die behaupten, es gebe keine Biologie, Männlichkeit und Weiblichkeit seien nur ein soziales Konstrukt.

Alexi hat mit solchen Theorien nichts am Hut. Nachdem sie sich lange Zeit vor männlichen Genitalien geekelt hat, bekennt sie sich jetzt, sexualpolitisch unkorrekt, zu ihrem Penisneid. In der Selbsthilfegruppe der Xy-Frauen sucht sie Seelenverwandte. Als Aktivistin in eigener Sache appelliert sie an Ärzte und Eltern, nicht länger genitalangleichende Operationen bei Kindern zuzulassen. Leider hat Elisabeth Scharang in ihrem erhellenden Film auch versucht, sich selbst ins Spiel zu bringen. Um zu beweisen, wie locker sie drauf ist, zieht sie sich während eines Gesprächs mit Alexi die Socken aus.

Den Protagonisten von Tomer Heymanns „Paper Dolls“ geht es noch schlechter als Alexi. Es sind philippinische Gastarbeiter in Tel Aviv, die für verhaftete Palästinenser einspringen und alte Leute pflegen. Ein Schatten-Dienstleistungsgewerbe: Sie arbeiten hart, für wenig Geld und werden sofort abgeschoben, wenn ein Pflegebedürftiger sie entlässt. Einen Tag in der Woche haben sie frei, dann schlüpfen sie in Frauenkleider und treten als Go-Go-Girls in einer Diskothek auf. Politisch entrechtet, auf der Straße als Tunten angepöbelt, bewahren sie dennoch ihren Humor und ihren Optimismus. Sie besitzen nicht viel, aber sie haben einen Körper, in dem sie sich wohl fühlen.

Transgender-Filme laufen auch im Wettbewerb („En Soap“) und sogar im Kinderfilmfest („The Blossoming of Maximo Oliveros“). Währenddessen fiebert Felicity Huffman von den „Desperate Housewives“ der Oscar-Verleihung entgegen. Sie wurde für die Darstellung eines Mann-zu-Frau-Transsexuellen in „Transamerica“ nominiert. Als beste Hauptdarstellerin. Sie ist eine Frau. Biologisch.

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