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Traditionelle chinesische Instrumente. Jiakang Zhang (r.) spielt eine Guzheng, zu Deutsch: Wölbbrettzither.

© Hannes Soltau

Young Euro Classic: Eine kleine asiatische Nachtmusik

Fernost trifft Abendland: Das Ouvertüre zum „Young Euro Classic“-Festival bestreitet ein deutsch-chinesisches Ensemble mit ungewöhnlichen Arrangements.

Im Foyer der Berliner Universität der Künste in der Bundesallee konnten Besucher in den vergangenen Tagen eine eigenartige Hörerfahrung machen. Durch die weiten Flure des ehemaligen Städtischen Konservatoriums wehen die vertrauten Melodien der klassischen Musik. Doch unter die Streicher mischen sich exotisch anmutende, flirrende Flageoletttöne und weiche, harfenähnliche Klänge.

Ein Blick in den Carl-Flesch-Saal im zweiten Stock erklärt deren Ursprung. Die Töne stammen von Pipa, Dizi, Guzheng und Erhu. Namen, unter denen sich die wenigsten Musikliebhaber in Deutschland etwas vorstellen können. Dabei handelt es sich um die bedeutendsten Instrumente der chinesischen Musik.

Fünf Studierende des Zentralkonservatoriums Peking spielen hier in Berlin darauf, sie sind Teilnehmer des deutsch-chinesischen Kammermusikprojekts, das am Donnerstag die Ouvertüre zum diesjährigen „Young Euro Classic“-Festival im Konzerthaus am Gendarmenmarkt bestreitet. Mit dabei sind Studierende der Musikhochschule Hanns Eisler, des Julius-Stern-Instituts und des Landesjugendorchesters Berlin. Das Projekt enstand im Rahmen der Feierlichkeiten zum 45-jährigen Jubiläum diplomatischer Beziehungen zwischen China und Deutschland.

In China denkt man fernöstliche und europäische Musik zusammen

Auf dem Programm stehen neben Mozart, Bach und Beethoven auch traditionelle chinesische Volkslieder mit Namen wie „Schöne Blumen im Vollmond“ oder „Fluss im Frühling, Mond in der Nacht“. „Wir möchten Botschafter für die reiche chinesische Musiktradition sein“, sagt Jiakang Zhang, eine der angereisten Musikerinnen. Die traditionelle chinesische und die klassische Musik des Abendlands hätten zwar auf den ersten Blick nicht viele Gemeinsamkeiten. Umso reizvoller sei es jedoch, ebendiese zu entdecken.

In China denkt man europäische und fernöstliche Musik seit Jahrzehnten zusammen. Trotzdem sei es eine große Herausforderung gewesen, unterschiedliches Material, Töne, Strukturen und Spieltechniken der chinesischen und westlichen Musik in einem Kammermusikensemble zu vereinigen, sagt der Komponist Hang Zou. Seine Arrangements dürften für das deutsche Ohr etwas ungewohnt klingen. Doch die Musiker haben sich sowohl darum bemüht, die Essenz der deutschen und österreichischen Musik zu erhalten, als auch die chinesischen Instrumente mit den westlichen zu fusionieren.

Die Instrumente aus China haben eine jahrtausendealte Geschichte. Trotzdem erfreuen sie sich in ihrem Ursprungsland noch heute großer Beliebtheit und sind selbst in Popsongs präsent. Auch hierzulande kann ein Laie ihren Klang als „irgendwie chinesisch“ einordnen: ob im Kino, beim Besuch eines China-Restaurants oder als Entspannungsmusik – gehört haben wir sie alle schon einmal.

Täglich bis zu acht Stunden Musikunterricht

Jiakang Zhang spielt eine Guzheng, die mit dem etwas sperrigen Namen Wölbbrettzither ins Deutsche übersetzt wird. Es ist ein Instrument, das aus 21 pentatonisch gestimmten Saiten besteht, das mithilfe von an den Fingern befestigten Plektren gespielt werden. In Zhangs Generation gibt es Kinder, die bereits im Alter von drei Jahren zum Musikunterricht gehen. Was in China in vielen Fällen ein tägliches Pensum von bis zu acht Stunden bedeutet.

Shengnan Hu, die künstlerische Leiterin des deutsch-chinesischen Ensembles, beschreibt die hohe Erwartungshaltung vieler chinesischer Eltern. „Die Familien investieren alles in ihre Kinder. Statt auf den Spielplatz gehen zu dürfen, müssen sie ans Klavier.“ Diese Intensität des Musikunterrichts spürt Shengnan Hu auch in der Arbeit mit dem Ensemble. Sie berichtet, dass die jungen chinesischen Musiker oft eine ausgezeichnete Technik mitbringen. Da das Ausbildungssystem auf einem wettbewerbsbasierten System der Konkurrenz aufbaue, das auf Fleiß und Drill setzt, sind viele gute Solisten darunter. Im Ensemble hingegen harmoniert der deutsche Nachwuchs besser, erzählt die Leiterin. Manchmal legt er auch eine Spur mehr individuelle Leidenschaft an den Tag.

Mozarts „Kleine Nachtmusik“ ist heimlicher Höhepunkt

„Die Zukunft der klassischen Musik liegt in China“, meinte schon vor ein paar Jahren Simon Rattle, der scheidende Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Fakt ist: Das bevölkerungsreichste Land der Welt hat in der jüngeren Vergangenheit einen regelrechten Klassik-Boom erlebt. Verlässliche Daten gibt es dazu nicht. Geschätzt wird aber, dass bis zu 50 Millionen Chinesen Klavier spielen. Lang Lang oder Li Yundi sind dabei nur die Spitze des Eisbergs und zugleich Idole einer ganzen Generation.

Den Beweis, dass chinesische Musik auch in Europa gut ankommt und sich mit der hiesigen Musiktradition bestens verträgt, will das Ensemble an diesem Donnerstagabend erbringen. Besonders freut sich Shengnan Hu auf das Arrangement von Mozarts „Kleiner Nachtmusik“. Es ist der heimliche Höhepunkt des Abends, alle Mitglieder des Ensembles werden mitspielen. Und es gibt weitere Überraschungen – mehr will sie aber noch nicht verraten.

Die Ouvertüre zu Young Euro Classic im Kleinen Saal des Konzerthauses beginnt am heutigen Donnerstag um 20 Uhr. Am Freitag geht’s dann im Großen Saal los, das Schleswig-Holstein-Festival-Orchester spielt Haydn und Messiaen. Das Festival läuft bis zum 3. September. Infos und Tickets: www.young-euro-classic.de

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