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Kultur: Zauberwesen

Janelle Monáe im Berliner Postbahnhof

Film ab: „Emotion Picture“, kündigt die Leinwand an, und auf der Bühne tummeln sich zum saftigen Swing-Schlagzeug von „Dance or Die“ schwarze Kutten, eine Band in Anzügen und eine Sängerin mit Schulterpolstern und hochgetürmter Tolle. Mit ihrer Funk-Soul-Rock-Cabaret- Show rechtfertigt Janelle Monáe im Postbahnhof nochmal ihren Status als Feuilleton-Liebling des Sommers.

Wenn Monáe Charlie Chaplins „Smile“ singt, schweben die Geister von Nat King Cole, Judy Garland und Stevie Wonder im Raum, und wenn sie den Schaufeltanz macht, tanzt die ganze Rige amerikanischer Showmaster mit. Vor allem aber das profunde Wissen dieser 25-Jährigen um die eigene Position in der Geschichte der Kulturindustrie und ihrer technisch erzeugten Effekte. Die Schwarz-Weiß-Ästhetik verweist auf die Anfänge von Kino und Körperkomik, und Monáe selbst wirkt mit Scheinwerferaugen hinter Klimperwimpern wie ein aus der Leinwand getretenes Zauberwesen.

Sie kürzt ihre Subjektivität raus und lässt die Energien fließen: shoutet mit wedelndem Zeigefinger, rennt auf der Stelle wie eine Zeichentrickfigur, wirft sich mit der Band zu Boden und schmiert schließlich an der Staffelei hippiemäßig etwas Farbe über eine Leinwand. Ihr Showkonzept ist das Doppel-V, halb Brechts Verfremdungseffekt, halb Voodoo, ekstatisch und diskret. Und genau getaktet: Nach dem Konfettiregen zur stampfenden Zugabe „Come Alive“ ist um Punkt zehn Schluss. Da zeigt sich das kalte Schulterpolster des Showbusiness. Kolja Reichert

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