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Kultur: Zehn, neun, acht, sieben, sechs...

Rein in die Zukunft: die TV-Serie „Raumpatrouille Orion“ als Retro-Remix

Sogar die Zukunft sah in der Vergangenheit besser aus. Nur ein, zwei Jahrtausende würde es brauchen, davon waren die Deutschen in der Ludwig-Erhard-Ära überzeugt, bis die Erde friedlich vereint sein würde. Nationalstaaten gäbe es nicht mehr, der Meeresboden wäre als Wohnraum erschlossen, und am Rande des Universums würden Raumschiffe in unvorstellbarem Tempo – so genannter „Hyperspacegeschwindigkeit“ – unterwegs sein, um den Heimatplaneten vor Eindringlingen zu schützen. Seltsam nur, dass auf den Kommandobrücken dieser Raumschiffe Armaturen installiert sein würden, die wie Plastikbecher und Dampfbügeleisen aussähen. Tatsächlich waren es Plastikbecher und Bügeleisen. Der spätere Oscar-Preisträger Rolf Zehetbauer hatte bei der Ausstattung der Fernsehserie „Raumpatrouille Orion“ aus Geldmangel improvisieren müssen und Haushaltsgegenstände in Space-Utensilien verwandelt.

„Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen“, mit diesem Vorspann begannen die sieben Episoden der in den Münchener Bavaria-Studios produzierten Science-Fiction-Reihe, die 1966 erstmals ausgestrahlt wurden und traumhafte Einschaltquoten von bis zu 44 Prozent erreichten. Von heute aus betrachtet sieht das Märchen von übermorgen reichlich gestrig aus, aber gerade von der Patina, die sich inzwischen über den Zukunftsoptimismus des damaligen Straßenfegers gelegt hat, geht bis heute ein anhaltender Reiz aus. Längst hat sich um die Abenteuer des von Dietmar Schönherr verkörperten „Orion“-Commanders Cliff Allister McLane und seiner sechsköpfigen Crew ein retro-futuristischer Kult entwickelt, der sich in Fanclubs, Heftromanen und im Internet ( www.orionspace.de ) manifestiert. Die „Raumpatrouille“, die jetzt in einer Remix-Version ins Kino kommt, zeigt, wie die Zukunft gewesen sein könnte. Anders als das US-Konkurrenzunternehmen „Raumschiff Enterprise“ ist die „Orion“ trotz zahlreicher Pläne nie fortgesetzt worden, McLane und die Seinen sind gewissermaßen auf ewig in schwarz-weißen Bildern und einer Epoche gefangen, in der die Frauen Minirock und Hochfrisuren, die Männer Röhrenjeans und Beatles-Stiefeletten trugen.

„Zehn – neun – acht – sieben – sechs – füneff“: Der Countdown der von Peter Thomas komponierten Titelmelodie gilt mittlerweile auch dem Rücksturz in eine Nahvergangenheit, die mindestens so bizarr anmutet wie eine von „Exoterristen“ bevölkerte Fernzukunft. Die Macher der „Orion“-Serie gaben sich visionär, doch unter der kalten Techno-Sprache ihrer Figuren („Wir erreichen den C-Abstand“), lauerte die Ideologie des Kalten Krieges.

Nach zwei „Galaktischen Kriegen“, bei denen sich die Erde „nicht ganz korrekt“ verhalten haben soll, herrscht im All relativer Frieden, der von „feindlichen Raumschiffen ohne galaktische Seriennummern“, den Frogs, bedroht wird. Die Frogs sind die Bösen der Serie, sozusagen die Russen. Für die mit „Rücksturz ins Kino“ betitelte Leinwandfassung hat Produzent Stephan Reichenberger Höhepunkte aus den „Orion“-Teilen „Angriff aus dem All“, „Planet außer Kurs“ und „Invasion“ zusammengeschnitten. Zusammengehalten werden die Episoden von Elke Heidenreich, die sich mit original Bienenkorbfrisur aus dem Studio der „Sternenschau“ meldet und ihre Zuschauer mit „Alles wird galaktisch gut“ verabschiedet. Als Einstiegsdroge ist der „Orion“-Remix geeignet, aber die Fans werden kaum begeistert sein. Einen da Vinci zerstückelt man schließlich auch nicht.

Heute Publikumspremieren im Cinemaxx Potsdamer Platz und in der Kulturbrauerei. Außerdem im Titania Palast.

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