zum Hauptinhalt

Kultur: Zehnmal am Tag

Da psychoanalytisch Beflissene die ödipalen Verstrickungen des "Hamlet" allseitig (bis zur Abseitigkeit) durchforstet haben, schwingt sich nun der Regisseur und prominente Aktivist der Schwulen-Bewegung, Rosa von Praunheim, zu einem selbstverfaßten Drama namens "Hamlet - eine Sexkomödie" auf - und über Shakespeare und seine Interpreten denn auch selbstredend weit hinaus. Originales "Hamlet"-Vokabular à la: "Ich könnte in eine Nußschale eingesperrt sein und mich für einen König von unermeßlichem Gebiete halten, wenn nur meine bösen Träume nicht wären", bei Schlegel/Tieck nachzulesen im 2.

Da psychoanalytisch Beflissene die ödipalen Verstrickungen des "Hamlet" allseitig (bis zur Abseitigkeit) durchforstet haben, schwingt sich nun der Regisseur und prominente Aktivist der Schwulen-Bewegung, Rosa von Praunheim, zu einem selbstverfaßten Drama namens "Hamlet - eine Sexkomödie" auf - und über Shakespeare und seine Interpreten denn auch selbstredend weit hinaus. Originales "Hamlet"-Vokabular à la: "Ich könnte in eine Nußschale eingesperrt sein und mich für einen König von unermeßlichem Gebiete halten, wenn nur meine bösen Träume nicht wären", bei Schlegel/Tieck nachzulesen im 2. Aufzug, 2. Szene, dient dem bei Praunheim vollendet verklemmten Protagonisten (Siegfried Langer) nurmehr als kurzer Einstieg ins Eigentliche. Und das Eigentliche ist in diesem speziellen Fall das an die Sextherapeutin Mona Schmidtbach-Sülzenicht (Ina Kallmeyer) adressierte Geständnis einer krankhaften Sexsucht, die sich darin äußert, daß Hamlet "zehnmal am Tag ficken" könnte.

Es ist dies eine Tatsache, die die Analytikerin im ersten Moment sehr glücklich stimmt und im zweiten in tragischer Weise auf sich selbst zurückwirft: Frau Schmidtbach-Sülzenicht leidet ihrerseits unter allen möglichen Geschlechtskrankheiten nebst einer Kondomallergie, was das Leben naturgemäß kompliziert. Da nun der gängigste Weg, die Welt (wieder) einzurichten, anno 1999 unmittelbar in den Workshop führt, belegt Frau Schmidtbach-Sülzenicht einen Kurs, in dem die Selbsterfahrung über das Schauspiel - exemplarisch am "Hamlet" - erprobt wird.

Dieser "Hamlet"-Workshop bildet denn auch gewissermaßen die dramatische Keimzelle: Dort trifft die Sextherapeutin auf die energiegeladene, aber der oralen Befriedigung ihres Mannes unfähige Gynäkologin Ophelia (Mariam Kurth). Und Ophelia ihrerseits stößt just auf eben jene bodenständige Domina Delilah (Claudia Knichel), die ihr frustrierter Gatte regelmäßig aufsucht, um sich die Hoden festnageln zu lassen, sowie auf ihre Schwiegermutter Gertrud (Gudrun Brückner) - ihres Zeichens sibirische Immigrantin und Putzfrau. Die verhuschte Krankenschwester Sophia Güldenstern (Susann Buck), die sich wankelmütig in Ophelias Praxis begibt, auf daß diese ihr die eingeführten Messer und Konservendosen wieder entferne, und eine Isolde Neumann (Christa Meier), die alles wahnsinnig interessant findet, komplettieren den Kreis der Teilnehmerinnen. Im folgenden entfaltet sich "Hamlet - eine Sexkomödie" als ein an der Dramaturgie der Seifenoper orientiertes Episodendrama, wobei die Figuren in wechselnden Konstellationen die allgemeine Neurosenlehre durchexerzieren: Rosa von Praunheim läßt sein fähiges Ensemble klischierte Sexualphantasien ebenso wie deren Verhandlungsmedium - den Psychodiskurs - ironisieren, wobei er den Figuren mutigerweise den einen oder anderen pathetischen Sehnsuchtsanfall zugesteht.

Das Problem ist nur: Wo man im wahren Leben sein Ich mittlerweile in Heilkräuter-Tanzkursen (!) aufspüren kann, zeitigt die Aufforderung der abgründigen Praunheimschen Workshopleiterin (Angelika Warning), daß wir uns jetzt mal alle ausziehen und beim Onanieren den "Hamlet" sprechen, nur noch sehr, sehr müde Lacher. Daher ändern auch die wunderbar pseudo-frivolen Posen, mit denen das Ensemble seine Gesangseinlagen (Musik: Max Doehlemann) illustriert, nichts daran, daß die Sexkomödie zur Lage der Nation ihrem Finale zusehends zäh entgegentrudelt.

Vom 9. bis 11. Juli im Theaterprobenhaus Mitte, Koppenplatz 3-4; vom 15. bis 18. sowie vom 22. bis 25. Juli im Ratibor-Theater, Cuvrystraße 20; jeweils 21 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false