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Kultur: Zeugin der Anklage

„Bamako“ – afrikanisches Tribunal gegen den Westen

Der Wohnhof ist das Zentrum afrikanischen Alltagslebens. Auch in diesem weiß getünchten Hinterhof in Malis Hauptstadt Bamako werden Kinder und Ziegen gefüttert, Stoffe gefärbt und Hochzeiten gefeiert. Doch bald mischt sich zwischen die Bewohner ein anderes Publikum. Es sind Malianer, die sich hier in einem improvisierten Open-Air-Gerichtssaal treffen, um der Politik von Weltbank und IWF den Prozess zu machen. Als Zeugen der Anklage treten Lehrer, Staatsbeamtinnen und andere engagierte Betroffene auf, die die zunehmenden Abhängigkeiten und die Zerstörung beklagen, in die die „strukturellen Anpassungen“ ihr Land und den einstmals so reichen Kontinent treiben.

Ideelle Klägerin ist die afrikanische Gesellschaft, die von einem weißen Franzosen und einer Malianerin wortkunstvoll vertreten wird. Auf der Bank sitzt ein Richter in roter Robe und auch ein Verteidiger, der mit rhetorischer Raffinesse die Politik der internationalen Behörden schönredet. Dabei werden die Anwälte von echten Advokaten dargestellt, wie auch viele der Hofanwohner sich selbst spielen. Doch „Bamako“ ist kein üblicher Gerichtsfilm; vielmehr geht es Regisseur Abderrahmane Sissako offensichtlich darum, den leidenschaftlich vorgetragenen Argumenten ein angemessenes Forum zu bieten. Immer wieder mischt sich aber auch der Alltag der Hofbewohner in die weltpolitische Abrechnung.

Sissako („La vie sur terre“) inszeniert mit scheinbar leichter Hand im Hof seines väterlichen Familienhauses. Dabei kontrastiert die fast impressionistisch hingetupfte Szenerie reizvoll mit den düsteren Farben der Anklage, die sich immer weniger auf den einen Kontinent beschränkt: Afrika sei nur das Spiegelbild einer von einem „räuberischen Kapitalismus“ verwüsteten Welt, in der alles nur der Gewinnmaximierung dient. Solch pessimistischer Diagnose trotzt „Bamako“ mit dem selbstbewussten Aufbegehren der Opfer.

fsk und Central (jeweils OmU)

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