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Kultur: Ziemlich feste Freunde

Barenboims Konzertfeier in der Philharmonie.

Mut gehört schon dazu, in der Philharmonie ein Geburtstagslied anzustimmen, das für den Pianisten kurz vor seinem Auftritt gedacht ist. Als Zubin Mehta gerade den Taktstock heben will, um mit dem Jubilar Daniel Barenboim einen Marathon mit Beethovens drittem und Tschaikowskis erstem Klavierkonzert zu starten, fallen Zuhörer und Staatskapellmusiker in den gesungenen Glückwunsch für den 70-Jährigen ein. Barenboim lässt sich’s gerne gefallen, wie er überhaupt gut gelaunt ist an diesem Abend. Fast wirkt es wie eine Jamsession alter Freunde, die sich immer wieder über den Klavierdeckel hinweg anlächeln.

Es ist ja kein Geheimnis, dass Barenboims dirigentische Genialität seine pianistisch-technischen Fähigkeiten nicht unwesentlich überflügelt. Aber mit seinem enormen Pensum hat er einen effizienten Arbeitsstil entwickelt, der es ihm erlaubt, sich zurückzunehmen, wo andere Pianisten auftrumpfen wollen. Barenboim muss niemandem mehr etwas beweisen. Am besten ist er in den Kadenzen, die er ganz für sich deklamiert, kammermusikalisch und introvertiert. „Dialogues II“, den dazwischengeschobenen musikalischen Gruß seines eben verstorbenen Freundes Elliott Carter, antizipiert er mit ungeahntem Witz, der an eine Prokofjew-Burleske erinnert.

Als würdiges Geschenk zum 70. erweist sich seine Staatskapelle, die Mehta mit seiner kleine Halbkugeln formenden Hand zu einer Klangkultur führt, bei der man immer wieder bedauern muss, dieses Orchester nicht häufiger sinfonisch zu hören. Das Holz strahlt mit einer Wärme, die dem samtig-dunklen, farbenreichen und nuancierten Streicherton einen güldenen Glanz verleiht. Es bildet sich aber keine Schönklangkruste, unter deren Oberfläche die Musik erstürbe. Vielmehr glüht das Orchester immer wieder mit einer Leidenschaft auf, die auf dem Podium besser zum Tragen kommt als aus dem Graben. Mit seiner eigenwilligen Agogik besonders im dritten Tschaikowski-Satz verwirrt Barenboim seine Musiker zuweilen, fängt sie aber mit stimmiger Phrasierung und herausfordernden Blicken immer wieder ein.

Es sind Barenboims Verdienste, die das aufspringende Publikum am Ende bejubelt. Es hat, mit für Berliner Verhältnisse ungeahnter Verehrung, den Großmeister adoptiert. Der genießt den Aufruhr sichtlich und verlässt mit Geschenktüten das Podium, nicht ohne sich mit Chopin bedankt zu haben. Christian Schmidt

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