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Zockerkomödie: T-Shirts des Grauens

Chaos im Zockerparadies: Stephen Frears’ hat eine Trashkomödie gedreht: In „Lady Vegas“ haben Bruce Willis und Rebecca Hall Glück im Spiel - und am Ende auch Glück in der Liebe.

Neuerdings kleiden sie sich doch sehr casual, die amerikanischen Stars. Erst tritt George Clooney in „The Descendants“ in superhässlichen Hawaiihemden auf, jetzt macht Bruce Willis ihm Konkurrenz, mit Schlabber-Shirts, ebenfalls Oberhemden der scheußlichsten Art, Khaki-Shorts und zu allem Unglück auch noch weißen Kniestrümpfen. Socken zu Sandalen sind nichts dagegen. Und wenn Willis als Profizocker Dink in Las Vegas vor Wut über seine jüngste Pechsträhne auch noch die TV-Flachbildschirme in seinem schäbigen Wettbüro anbrüllt, dann wird es richtig schön irre in „Lady Vegas“, der Zockerkomödie von Stephen Frears. Ein Film über Abzocker in Zeiten der Finanzkrise von diesem intelligent-verschmitzten Sozialrealisten, das könnte was sein.

Ist es aber nur für kurze Momente. Denn es geht vor allem um Beth, die aus Florida nach Las Vegas kommt und in der Sportwettszene ihr Glück versucht. Von der Stripperin zur Millionärin: ein sexy Girl im Glitzerpark der großen Sensationen. Erst heuert Beth bei Dink, Inc. an und staunt Bauklötze über das (legale) Wettgeschäft, das sich vom Börsengeschehen nur insofern unterscheidet, als nicht Zahlen wie wild über die Monitore toben, sondern Pferde, Boxer, Eishockey- oder Footballspieler. Dann begreift Beth im Nu, wie der Hase läuft, erweist sich als ideale Telefonistin und Wetteintreiberin, geht nach einem Eifersuchtskrieg mit Dinks Gattin nach New York zur (illegalen) Konkurrenz (Vince Vaughn) und zu Lover Nummer zwei (Joshua Jackson als Journalist) und dreht bald am ganz großen Rad. Mit Happy-End: Bei der Liaison mit dem netten Journalisten (ja, die gibt’s auch) genauso wie beim unerschrockenen Kampf mit den Obergangstern der Wettbranche.

Das Drehbuch ist nach der wahren Geschichte von Beth Raymer verfasst, die Schriftstellerin wurde und ihre Vegas-Memoiren „Lay the Favourite“ nannte – so heißt der Film im Original. Drehbuchautor D.V. DeVincentis („High Fidelity“) nennt Beth zwar ein „wandelndes Chaos“ und eine „Naturgewalt“, aber im Film bleibt sie eine etwas eindimensionale Männerfantasiefigur, mit Hotpants und permanent vor Staunen aufgesperrtem Mund. Aus dem Kontrast zwischen Outfit und Wahnsinns-Mathebegabung entzünden Frears und Co. kaum pointierte Dialoge oder inszenatorischen Witz. Wobei das Gezicke mit Catherine Zeta-Jones als Gattin Tulip zum Unterhaltungswert von „Lady Vegas“ dennoch erheblich beiträgt.

„Pretty Woman“ in der Trash-Variante? Leider strotzt die Story vor Ungereimtheiten und Unwahrscheinlichkeiten. Auch der Dreiecksbeziehung Beth/ Dink/Tulip wird kaum eine Szene gegönnt, in der die Gemütsschwankungen der Beteiligten wenigstens ansatzweise nachvollziehbar würden. Als gebe es nicht reichlich Gangsterkomödien, Mafiafilme und Melodramen, die am Schauplatz Las Vegas mit dem Glück im Spiel und in der Liebe jonglieren, von „The Las Vegas Story“ mit Jane Russell über Scorseses „Casino“ bis zu „Leaving Las Vegas“ mit Elizabeth Shue und Nicolas Cage.

Sich ein Genre anzuverwandeln, ein Milieu samt Ritualen und Sprachcodes in Augenschein zu nehmen, das ist eine Spezialität des Briten Stephen Frears – ob er sich nun in derLondoner Migrantenszene bewegt („Mein wunderbarer Waschsalon“), im französischen Adel („Gefährliche Liebschaften“) oder im Buckingham Palast („The Queen“). Diesmal schwankt er zu sehr zwischen Milieustudie und Karikatur, als dass der Film gelingen könnte. Schon in seiner letzten Produktion, der Dorfkomödie „Immer Drama um Tamara“ mischt ein sexy Girl ein ihm fremdes Biotop auf. Ein Alterswerk-Phänomen? Schwächelt der 72-jährige Frears? Egal, alleine dass er uns Catherine Zeta-Jones als diätsüchtige, halb tot geliftete und dennoch obercoole Lady präsentiert, ist ihm hoch anzurechnen. Ihr Mut zur schrillen Überzeichnung: Respekt!

In 7 Berliner Kinos. OmU: Hackesche Höfe, OV: Cinestar Sony-Center

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