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Friedemann Weigle mit seinen Kollegen bei der Echo-Verleihung.

© Imago

Zum Tod von Friedemann Weigle: Was bleibt, ist Trauer

Nur 52 Jahre wurde er alt. Unfassbar plötzlich ist Friedemann Weigle, Bratschist des Artemis Quartetts, gestorben. Was bedeutet das für die Zukunft der Formation?

Fassungslosigkeit. Das ist die erste, hilflose Reaktion auf die Nachricht, dass Friedemann Weigle gestorben ist, mit 52 Jahren. Stand er nicht noch Ende Juni im Wiener Konzerthaus auf dem Podium, mit Dvořáks Streichquartett G-Dur? Bereits am vergangenen Wochenende hat der Bratschist, wie das Artemis Quartett mitteilt, „uns unfassbar plötzlich und nach langer Krankheit verlassen“. Anzumerken war ihm nie etwas, Weigle war Basis und Beat des Quartetts, mit seinen langen, wehenden Haaren und dem dunklen, sehnsuchtsvoll ins Weite strebenden Violaton. Was bleibt, sind Trauer – und Sorge um die Zukunft des weltberühmten, in Berlin beheimateten Quartetts.

Auch Friedemann Weigle selbst war Berliner. An der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ hat er studiert, war dort bis zuletzt Honorarprofessor, an der Universität der Künste wurde er 2011 - wie die drei anderen Artemisianer auch - zum Professor berufen. Hochmusikalisch ist seine ganze Familie: Bruder Sebastian Weigle wirkt als Generalmusikdirektor in Frankfurt, der andere Bruder Jörg-Peter Weigle ist Professor für Chorleitung an der „Hanns Eisler“. Als Student gehörte Friedemann Weigle zu den Gründungsmitgliedern des Petersen Quartetts, 20 Jahre lang, bevor er 2007, gemeinsam mit der zweiten Geige Gregor Sigl, zu Artemis wechselte – das mit einer eigenen Reihe im Kammermusiksaal und einer hochgelobten Einspielung der Beethoven-Quartette zum Höhenflug ansetzte.

Der Tod von Friedemann Weigle ist ein existenzieller Stoß

Der ist jetzt ausgebremst. Streichquartette sind hochfragile Gebilde. Keine nach Gesicht gecastete Boyband, kein globalisiertes Produkt wie Coca-Cola, die überall auf der Welt gleich schmeckt. Eher ein einzigartiger, in der Zeit gereifter und die Spuren dieser Zeit aufnehmender Wein. Auch wenn keine Ehe heute mehr für die Ewigkeit ist: Streichquartette neu zu besetzen, ist immer noch eine Operation am pochenden Herzen, ein Drama mit offenem Ausgang. Artemis hat es schon mehrfach erlebt, von der Ursprungsbesetzung ist nur noch Cellist Eckart Runge an Bord.

Zuletzt wurde 2012 nach dem Ausstieg der Primaria Natalia Prishepenko glücklich mit Vineta Sareika eine Nachfolgerin gefunden. Und doch ist der Tod Friedemann Weigles ein existenzieller Stoß. Verständlich, dass sich das Quartett jetzt eine Auszeit nimmt. Man kann nur hoffen, dass sie befristet sein wird.

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