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Michael Ballhaus wurde 2016 mit dem Ehrenbären der Berliner Filmfestspiele ausgezeichnet.

© Gregor Fischer/dpa

Zum Tod von Michael Ballhaus: Zärtliches Licht

Am Mittwoch starb der große Kameramann Michael Ballhaus. Eine persönliche Erinnerung des Regisseurs und Ballhaus-Schülers Christoph Hochhäusler.

Im „Filmgeschäft” arbeiten, heißt, mit Menschen arbeiten. Man trifft mehr Leute in einem Jahr als „Normalbürger” in einem ganzen Leben, hat über kurze Zeit oft intensive Erlebnisse mit im Grunde fremden Menschen, aber egal wie nahe man sich kommt, bald geht man wieder auseinander und macht neue Bekanntschaften.

Michael Ballhaus hatte ein ergreifend zärtliches Verhältnis zum Licht, seine Liebe zur eleganten Umkreisung ist sprichwörtlich geworden, er suchte die Schönheit und fand sie in den Gesichtern der Schauspieler. Aber sein größtes Talent lag im Umgang mit Menschen.

Ich kannte ihn nicht gut, aber weil er einige für mich sehr prägende Filme drehte (allen voran „Good Fellas“), interessierte ich mich früh für ihn und fieberte jeder Scorsese-Ballhaus-Zusammenarbeit entgegen. Bei einem Seminar während des Studiums an der Münchner HFF hatte ich dann Gelegenheit, ihn bei der Arbeit zu beobachten und durfte ein paar Storyboards für ihn zeichnen. Er war in der Lage, seine freundliche Ruhe gewissermaßen im Raum zu verteilen. Er absorbierte Stress, linderte Zweifel, löste Probleme in Wohlgefallen auf.

Als wir ihn später trafen, um ihn für unsere Filmzeitschrift „Revolver“ zu interviewen, 2001 in seiner Berliner Wohnung, hat mich sein „charismatischer Balsam” regelrecht provoziert; ich wollte ihn aus der Reserve locken, hart sein, ging auch mit einigen seiner Filme streng ins Gericht. Aber sein Charme war entwaffnend, er ließ die Einwände gelten, bekannte sich zu der Schwäche, Dinge „schön” machen zu wollen, kurz: Meine Strategie verfing nicht.

Die Freundlichkeit war das Kapital des Michael Ballhaus

Das Interview hatte dann ein kleines, vielsagendes Nachspiel. Ballhaus und seine damalige Frau Helga wollten es gegenlesen und wiewohl mir das Gespräch unverfänglich, ja harmlos erschienen war, hatten sie umfangreiche Änderungswünsche. So kam ich noch einmal zum Mexikoplatz und wir gingen Satz für Satz durch. Ich feilschte um Schärfe, sie feilschten um Abrundung. Keiner der Regisseure, über die sich Ballhaus in unserem Gespräch geäußert hatte – auch die, von denen er wenig hielt – sollte den leisesten Verdacht einer Missbilligung haben. Ich gab schließlich zähneknirschend nach, denn ich verstand, dass seine natürliche, aber eben auch professionell gepflegte Freundlichkeit sein wichtigstes Kapital war.

Der erblindende Ballhaus: ein fast biblisches Leiden für einen Kameramann

Das letzte Mal sahen wir uns auf einem Podium der Berlinale, 2014. Zu meiner Überraschung hatte er sich mich als Gesprächspartner gewünscht, obwohl wir uns Jahre nicht gesehen hatten. Wir sprachen vor dem Auftritt über seine Blindheit, die damals noch nicht öffentlich war, ein fast biblisches Leiden für einen Kameramann, das er stoisch ertrug und vor Publikum dann über „The Color of Money“, einen Film, den ich liebe und der auch seiner Meinung nach nicht die Anerkennung bekommen hat, die er verdient. Auf Wiedersehen im Kino, Meister!

Christoph Hochhäusler, 44, lebt in Berlin. Sein jüngster Film: „Die Lügen der Sieger“.

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