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Nach der Klimakatastrophe. Auf der Suche nach Wasser in einer verdorrten Welt: Lars Eidinger, Hannah Herzsprung, Stipe Erceg. Foto: Paramount Pictures

© dapd

Kultur: Zur Hölle mit der Sonne

Apokalypse in den Alpen: Tim Fehlbaums erstaunlicher Science-Fiction-Thriller „Hell“

Als die Außerirdischen kamen, vor zwei Jahren in „Monsters vs. Aliens“, verkündete das Fernsehen die Nachricht: „Wieder einmal ist in den USA ein Ufo gelandet. Offenbar sind wir das einzige Land, in dem Ufos landen.“ Die Berater des Präsidenten reagierten entsprechend. „Können wir die USA nicht einfach auf einen sicheren Planeten transferieren?“, fragt der eine. Die Antwort: „Geben wir dem Alien doch eine Greencard. Make him proud to be American!“

Invasionen und Apokalypsen waren im Kino lange eine amerikanische Angelegenheit: Die USA firmierten als das Bollwerk gegen den äußeren Feind, als Retter der Menschheit im Angesicht des Endes. Science-Fiction aus den Staaten verlieh – jedenfalls bis 9/11 – vor allem zwei Dingen Ausdruck: der Angst vor dem Fremden und den Glauben an die eigene Überlegenheit. In Roland Emmerichs Invasionsoper „Independence Day“ fiel die letzte Schlacht gar auf den Nationalfeiertag.

Mit Spielbergs „Krieg der Welten“ kehrte die katastrophische Zukunft auf die Leinwand zurück; mittlerweile entsteht in Amerika so viel Science-Fiction wie noch nie. Doch die Produktion erschöpft sich in Remakes („Star Trek“, „Planet der Affen“) oder C-Movies („Battle Los Angeles“, „Skyline“). Und wenn sich Hollywood doch mal zur großen Geste hinreißen lässt, dann fällt sie historisch aus: J. J. Abrams verlegt seine Spielberg-Hommage in die späten Siebziger („Super 8“), Jon Favreau verschlägt’s in die goldene Zeit des Westerns („Cowboys & Aliens“).

Es sieht so aus, als ob das Genre den Bedeutungsverlust einer Weltmacht begleitet. Apokalypsen und Invasionen finden jetzt in Südafrika statt („District 9“, 2009), in Mexiko („Monsters“, 2010), Frankreich („Les derniers jours du monde“, 2009), Großbritannien („Attack the Block“, startet diese Woche). Oder eben in Deutschland, in Tim Fehlbaums Film mit dem doppeldeutigen Namen „Hell“. Das liegt auch daran, dass die Effekttechnik inzwischen günstig zu haben ist. Für ein anständiges Angstszenario braucht es nicht mehr die ganz große Filmmaschine, ein kleines Team mit Digitalkamera und Notebook tut’s auch.

Wenn die Sonne zu heiß wird, dann brennt’s überall, auch in Zentraleuropa. In „Hell“ sind die Schwestern Marie (Hannah Herzsprung) und Leonie (Lisa Vicari) sowie Phillip (Lars Eidinger) im Auto unterwegs auf der Suche nach Wasser. Die Erde hat sich um zehn Grad erwärmt, alles ist verdorrt, schon wenige Sekunden in der Sonne können lebensgefährlich sein. Der letzte Kanister Benzin ist angebrochen, aus dem Radio tönt Nena, „99 Luftballons“ (damals stellte man sich das Weltende noch anders vor). An einer verlassenen Tankstelle treffen sie auf Tom (Stipe Erceg). Weil er Keilriemen reparieren und Molotowcocktails bauen kann, darf er mitkommen. Wohin? „In die Berge.“ Da ist Wasser, „steht doch auf den Flaschen.“ Gemeint ist das Bild der Alpen auf dem ausgeblichenen Etikett einer Sprudelflasche.

Es hat etwas Erfrischendes, wenn ein junger Filmemacher nach den Sternen greift, nach internationalen Standards, nach unverfälschtem, schmutzigem Genre – und die Geschichte dabei im Süddeutschem ansiedelt. Lange war es unmöglich, für so etwas deutsche Fördergelder zu bekommen, und Lars Kraumes Science-Fiction-Versuch „Die kommenden Tage“ von 2010 wurde ein Flop. „Hell“ gibt es vermutlich nur, weil Roland Emmerich und Paramount ihre Finger im Spiel hatten.

Natürlich ist vieles nicht neu, manches dreist geklaut. Eine Straßensperre entpuppt sich als Hinterhalt, Leonie wird entführt, die Gruppe versprengt. In einer Kirche inmitten eines verbrannten Waldes trifft Marie dann auf die Bäuerin Elisabeth (Angela Winkler). Gütig, aber streng, hat diese vor allem eines im Blick – das Überleben ihrer Sippe, der „Brückners“. Winklers Auftritt als Matriarchin ist die geschickte Variation eines Genrestandards; sie fügt sich perfekt ins katholisch-ländliche Szenario. Den eigenen Sohn schickt sie los, um Phillip zu retten, den Marie verletzt zurücklassen musste. „Grad’ jetzt brauchen wir sie doch, unsere Männer“, sagt Elisabeth – in einem Film, in dem die Frauen die Aktiven sind. Bald werden wir sehen, weshalb.

Der junge Schweizer Tim Fehlbaum, Absolvent der Münchner Filmhochschule, fügt etablierte Versatzstücke des Survivalthrillers zu einem Film, dessen Geschichte zwar nicht originell ist – und die angesichts einiger verheißungsvoller Zutaten hätte origineller sein können. Aber ein packendes Stück Genrekino ist es doch geworden. Überbelichtete Bilder mit Sepiastich, anhaltende Spannung ohne plötzliche Schocks, Figuren und Dialoge, die für einen deutschen Film erstaunlich unsteif geraten sind – das alles ist schlicht, aber effektiv. Roland Emmerich dürfte Gefallen finden an seinem Schützling.

In 13 Berliner Kinos

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