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Kultur: Zweierlei Aufhören

Als Günter Grass am Wochenende in einem Zeitungsinterview verkündete, wegen seines fortgeschrittenen Alters keinen Roman mehr schreiben und vor allem fertigstellen zu können, blieb es doch still im Land. Da hat es bei anderen großen, nicht aus Deutschland stammenden Schriftstellern schon überraschtere, verblüfftere Reaktionen, gar Trauerkundgebungen gegeben.

Als Günter Grass am Wochenende in einem Zeitungsinterview verkündete, wegen seines fortgeschrittenen Alters keinen Roman mehr schreiben und vor allem fertigstellen zu können, blieb es doch still im Land. Da hat es bei anderen großen, nicht aus Deutschland stammenden Schriftstellern schon überraschtere, verblüfftere Reaktionen, gar Trauerkundgebungen gegeben.

So bei Philip Roth, der 2012 seinen Abschied vom Schreiben verkündet hatte, was man in Anbetracht des zuverlässigen, zuverlässig guten Romanausstoßes von Roth in den Jahren zuvor kaum glauben mochte. Oder bei Alice Munro, der letztjährigen Literaturnobelpreisträgerin, die gleich nach der Bekanntgabe dieser höchsten aller Literaturauszeichnungen sagte, der im Dezember veröffentlichte Erzählungen-Band „Liebes Leben“ sei ihr definitiv letztes Buch. Zu einem Zeitpunkt also, da sie eine große Öffentlichkeit erst entdeckt hatte. Ja, und selbst bei Martin Walser würden einige Krokodilstränen (und sicher manche echt empfundene Träne) vergossen werden, gäbe dieser Unermüdliche bekannt, mit dem Romanschreiben aufzuhören. Aber Walser muss einfach weitermachen: „Ich schreibe aus Liebe.“

Die Sensation im Fall von Grass wäre tatsächlich gewesen, wenn er noch einmal einen Roman angekündigt hätte. Nicht weil Grass dieses Jahr 87 Jahre alt wird, sondern weil er, sieht man von der 2002 erschienenen Novelle „Im Krebsgang“ ab, sein letztes fiktives Großwerk vor knapp 20 Jahren veröffentlicht hat, „Ein weites Feld“. Als „ganz und gar missraten“ kanzelte damals Marcel Reich-Ranicki diesen Roman im „Spiegel“ ab, nicht einmal gelungene Bilder, Szenen oder Episoden mochte der Großkritiker darin finden. Das hat Grass tief getroffen, keine Frage. Was für weitere Auswirkungen dieser Verriss gehabt hat, darüber lässt sich nur spekulieren. Jedenfalls verlegte Grass sich daraufhin in seinen Prosaarbeiten stärker als zuvor auf das Autobiografische: in „Beim Häuten der Zwiebel“ sowieso. Aber auch in dem epischen Bilderbogen „Mein Jahrhundert“, in dem Buch „Die Box“ mit seinen „Dunkelkammergeschichten“, und selbst in der Liebeserklärung an die deutsche Sprache, in „Grimms Wörter“, musste Grass stets auf sich selbst und seine Bedeutung verweisen. Insofern: alles wie gehabt. Grass schreibt. Erste Texte würden nach den Zeichnungen für die Jubiläumsausgabe der „Hundejahre“ wieder vorliegen, hat er in dem Interview noch gesagt. Es wird also wieder laut werden im Land, wenn diese Texte als Buch erscheinen.

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