zum Hauptinhalt

Kultur: Zweierlei Meister der Übermalung

Ende 1994 berichtet das deutsche Fernsehen über einen Fall aus Wien: In der dortigen Kunstakademie sind 27 Bilder von Arnulf Rainer in dessen Atelier mit schwarzer Farbe übermalt worden, nur die originale Signatur blieb sichtbar.Schaden: drei Millionen Mark.

Ende 1994 berichtet das deutsche Fernsehen über einen Fall aus Wien: In der dortigen Kunstakademie sind 27 Bilder von Arnulf Rainer in dessen Atelier mit schwarzer Farbe übermalt worden, nur die originale Signatur blieb sichtbar.Schaden: drei Millionen Mark.Rainer stellt Strafanzeige auf Sachbeschädigung.Er, der wohl bedeutendste lebende Maler Österreichs und bekannt für seinen Drang zur Übermalung, gerät selbst in Verdacht, da die Täter nicht zu ermitteln sind.Konkurrierende Professoren halten die Tat für eine PR-Aktion, und Rainers eigene Akademie erklärt sich für nicht betroffen.Bald taucht ein Bekennerschreiben auf: 17 Seiten, voller Anspielungen auf Kunsttheorie und Philosophie.

Soweit die Exposition von Lutz Dammbecks neuem Film über den Fall: "Das Meisterspiel".Am Mittwoch stand er nach seiner Vorführung in der Berliner Akademie der Künste zur Diskussion.Dammbeck, schon seit DDR-Tagen selber Künstler, hatte sich bereits in seinen beiden vorangegangenen Filmen über Arno Breker und die Staatskünstler während der ostdeutschen Diktatur mit dem Thema "Kunst und Macht" beschäftigt.Das Bekennerschreiben nährte den Verdacht, die Übermal-Aktion sei von rechter Seite ausgeheckt worden.Dammbeck beschloß zu recherchieren und den Fall zu verfilmen.Der fertiggestellte Film erhält seine Spannung aus der Mischung von Detektivgeschichte, Verschwörungstheorie und realem Background.Die vermutlich rechten Täter benutzten nämlich genau die gleichen Methoden wie die österreichischen Aktionisten der sechziger Jahre, in deren Umkreis auch Rainer gehört.Rainer hatte einst in einer selbstermächtigten Aktion einfach ein fremdes Bild übermalt, dies später dann aber bereut.

Dammbeck rekonstruiert in seinem Film den Fall als (Meister-)Spiel.In über einem Dutzend "Zügen" treten Figuren auf: der Journalist, der Rainer vor falschem Verdacht schützen will, der rechte Kulturphilosoph, der einen Kulturkampf gegen das Häßliche der Moderne ausmacht, der Kommissar, der nicht zwischen Übermalungen des Täters und denen von Rainer unterscheiden kann, die Galeristin, die ihr Interview kurzfristig absagt, ein linker Intellektueller, die Cousine im Dirndl, die an Rainers Herkunft aus einem "reinem Bauerngeschlecht" und seine Zeit in der NAPOLA erinnert, schließlich die jungen Rechtsintellektuellen aus dem "Konservativen Club".Alle und jeder werden in Dammbecks Film verdächtig.Am Ende bleibt der Täter - wie in Wirklichkeit - unbekannt.Dem Zuschauer werden verschiedene Lösungsversionen offeriert, Dammbeck, der in seinem Film keine der aufgezeigten Theorien bevorzugt, sieht allerdings selbst eine gewisse Erschöpfung der Moderne, etwas gehe zu Ende.Das erbrachte die anschließende Diskussion, bei der, unter der Leitung von Matthias Flügge, auch Rainer selbst teilnahm.Der wollte allerdings zu dem Fall wenig sagen, da ihm die Sache immer unklarer werde.Dammbeck hingegen wagt eine These: Das Festhalten an modernen Positionen als neue Klassik riefe eine neue oppositionelle Generation auf den Plan.Was an ihr rechts sei, ob Rainer links stehe, das sei Frage des Films.Es scheint, die postmodernen Verhältnisse sind gerade dadurch so unübersichtlich, daß es zu inhaltlichen Überschneidungen kommt.Dammbecks Film zeigt, daß die Diskussion um die moderne Kunst keineswegs zu Ende ist, sondern daß das Spiel um die Meisterschaft - zumindest in Österreich - neu begonnen werden soll.Wie antwortet man auf den "Zug" der Terroristen? Die Frage blieb offen.Dammbeck kommt das Verdienst zu, sie wenigstens gestellt zu haben.

RONALD BERG

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false