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Gedenken. Der Theologe Christian Zimmermann enthüllt in der Oderberger Straße 61 in Berlin eine Tafel für den Theologen Dietrich Bonhoeffer.

© Jörg Carstensen/dpa

Gedenken an Dietrich Bonhoeffer: Vom Verräter zum Helden

In Berlin erinnert eine neue Gedenktafel an sein Leben und Wirken Dietrich Bonhoeffers - und auch die Kirche ehrt ihn als Widerstandskämpfer.

Es gibt kein Grab von Dietrich Bonhoeffer. Die Nazis haben den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg gehängt. Was sie mit seiner Leiche machten, weiß man nicht. In Berlin erinnert seit Donnerstag eine weitere Gedenktafel an sein Leben und Wirken. Sie hängt in der Oderberger Straße 61 in Prenzlauer Berg. In dem vierstöckigen Altbau hatte sich Bonhoeffer von Januar bis März 1932 ein Zimmer gemietet, um seinen Konfirmanden von der nahe gelegenen Zionskirche nahe sein zu können.

Heute bieten hier Läden Kinderhosen für hundert Euro an. Viele von Bonhoeffers Konfirmanden hatten nicht mal Schuhe. Die meisten Väter waren arbeitslos. Bonhoeffer ließ sie nicht wie damals üblich den Katechismus auswendig lernen, sondern interessierte sich für sie und ließ sich von ihrem Elend berühren. Er brachte ihnen Schach bei, machte Ausflüge mit ihnen und schenkte ihnen etwas zu Weihnachten. „Es ist doch unrecht, diesen Kindern von Nächstenliebe zu erzählen und nichts zu tun“, schrieb er einem Freund. Viele Passanten bleiben stehen, als am Donnerstag zur Feierabendzeit in der Oderberger Straße an den außergewöhnlichen Theologen erinnert wird, der sich die „frommen Phrasen aus dem Kopf“ schlug und lieber christlich lebte, indem er sich für die einsetzte, denen es nicht so gut ging.

Altbischof Wolfgang Huber erinnert später in der Zionskirche in einem klugen und differenzierenden Vortrag an die Bedeutung von Bonhoeffers Pazifismus für die christliche Friedensethik. Bonhoeffer hatte 1932 mit der Vorstellung eines „gottgewollten Krieges“ gebrochen. Er forderte seine Kirche auf, „den Frieden als Wagnis“ zu verstehen und nicht nur als ein „System von Sicherungen, das in Gewalt mündet, wenn die Sicherungen durchbrennen“, so Huber. Bonhoeffers Pazifismus sei aber kein „prinzipieller Pazifismus“, der um der Gewaltlosigkeit willen den Gewalttäter gewähren lässt. Auch heute gebe es „Grenzsituationen“, in denen Gewalt nur mit Gegengewalt zu stoppen sei, folgerte Huber. So dürfe man den Terror des „Islamischen Staats“ und seiner Ableger nicht tatenlos hinnehmen.

Es hat bis in die 70er Jahre gedauert, bis der Widerstandskämpfer Bonhoeffer nicht mehr als Vaterlandsverräter galt. Heute wird er in seiner Kirche wie ein Held verehrt. So pilgern am Donnerstagabend hunderte Bonhoeffer-Fans nach St. Matthäus ans Kulturforum. Hier wurde der Theologe 1931 zum Pfarrer ordiniert. An einer langen Tafel sitzend lesen Theologen, Schriftsteller wie Christoph Hein, Schauspielerinnen und Juristen wie Peter Raue aus Bonhoeffers Texten, Gedichten, Briefen und Notizen, von denen viele in der Tegeler Gefängniszelle entstanden sind. Die Zuhörer können nicht genug bekommen von Bonhoeffers klaren und erfrischend aktuellen Sätzen. Es geht gegen Mitternacht, als die letzten das Haus verlassen.

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