zum Hauptinhalt
Da bin ich! Jon Bon Jovi ist ziemlich brav geworden: 23 Jahre verheiratet, vier Kinder, katholisch. Über sein Privatleben möchte der Sänger trotzdem nicht sprechen. Foto: dpa

© dpa

Jon Bon Jovi in Berlin: Hair-Rock war gestern

Jon Bon Jovi plaudert am Montag am Potsdamer Platz mit Golden-Retriever-Blick über seine Gefühle. Alt wird der 50-Jährige irgendwie nicht.

Essigreiniger-Duft liegt in der Luft, zwei Weltkugeln ruhen träge in ihren Holzgestängen, und die Regale in der Bibliothek des Hotel Hyatt hätten viel Platz für weitere Bücher. Neben einer ziemlich einsamen Ausgabe von Milan Kunderas „Das Leben ist anderswo“ wird gleich Jon Bon Jovi Platz nehmen – die Galionsfigur des Hair-Rock, ehe er sich die Haare abschneiden ließ.

Hundert Journalisten sind auf Einladung seines Konzertveranstalters zum Potsdamer Platz gekommen, um ihm Fragen zu stellen. Der Mann und seine Band – Keyboarder David Bryan pflegt als einziges Mitglied aktuell die Lockenfrisur – spielen am 18. Juni im Olympiastadion. Der Vorverkauf hat begonnen, es gibt noch Restkarten.

Regeln für die Fragesteller gibt es auch. Ein Vertreter der Plattenfirma formuliert es so: „Jon und ich haben ein paar große Bitten.“ Kein Privatleben, keine Familie, vor allem keine Fotos. Wer doch fotografiere, werde – und das sei einzig und allein dem reibungslosen Ablauf der Pressekonferenz geschuldet – von einem der beiden Sicherheitsmänner, die neben dem Flügel stehen, am Schlafittchen gepackt und vor die Tür gesetzt.

Was also hat Jon Bon Jovi zu verbergen? Seine Tochter war vergangenes Jahr im Drogenrausch zusammengeklappt. Nun sei alles wieder gut und die Tochter clean, steht in amerikanischen Medien.

Umso seltsamer wirkt eine der ersten Fragen an den seit 23 Jahren mit derselben Frau verheirateten, katholischen Vater von vier Kindern: Trifft das Klischee von Sex, Drugs und Rock’n’ Roll auf ihn zu oder eher nicht?

Einen Pfennig für Jon Bon Jovis Gedanken. Irgendwie erwartet man, er müsse jeden Augenblick aufspringen, die Faust durch die Luft schwingen und seine Antworten stadionrocklaut rausbrüllen. Ein Lächeln, vielsagend angelegt, sagt dann recht wenig.

Da gibt es etwas, das JBJ mit Iris Berben und Nena gemein hat: Er wird einfach nicht alt. Doch das Geheimnis seiner Jugend, das Radio Paradiso so gerne gesendet hätte, existiert nicht! Es müssen wohl die Gene des 50-Jährigen sein, ein stabiler New-Jersey-Einwanderer-Mix. Ein wenig Bauchmuskeltraining, zwei Mal täglich Zahnzwischenräume reinigen und regelmäßige Feuchtigkeitsampullen dürften zum Ergebnis beitragen.

Speaking of Feuchtigkeit – erinnert sich jemand an „Slippery when wet“, das Durchbruch-Album von 1986, mit den Smashhits „Livin’ on a Prayer“ und „You give Love a bad Name“? JBJ wird lustig: „Das war das hässlichste Plattencover unserer Bandgeschichte! Da war ein Mülleimer drauf!“ Dann erzählt er eine lange, euphorische Geschichte über das „Artwork“ der neuen Platte.

Nächster Themenkomplex: JBJ und Berlin.

Könnte er sich womöglich vorstellen, hier David-Bowie-artig total kreativ ins Studio zu gehen? – „Früher wäre das sicher eine Option gewesen, als wir als Band jede Platte intensiv leben wollten. Aber heute, nein, wozu? Ich habe doch mein eigenes Studio zuhause. Wenn man so viel unterwegs ist wie ich, ist das äußerst angenehm.“

Wie war sein guter Freund, der US-Botschafter in Berlin, Mr. Philip D. Murphy, als Nachbar in New Jersey? „Wir haben so manchen Abend zusammen verbracht. Auch heute werden wir in dieser schönen Stadt irgendwo ein gemütliches Eckchen finden.“

Gute Frage: Fühlt JBJ eigentlich tief drinnen etwas, bewegt sich etwas in ihm, wenn er vor Zehntausenden auftritt, oder ist das für ihn nur grauer Alltag?

JBJ schüttet sich Mineralwasser ins Glas. „Ja“, erklärt er und schaut auf einmal so flauschig-beige wie ein Golden Retriever, „ich habe viele Gefühle.“

Bessere Frage: Braucht es am Ende des Tages in jedem seiner Nummer-Eins-Hits ein „Whooo-ho“? – „Nein! Es kann aber nützlich sein.“

Der Mann von der Plattenfirma lenkt die Fragen unerbittlich in Richtung JBJs soziales Engagement, das in der Tat beachtlich ist: Obama („Yes we can“)-Unterstützer JBJ („Because we can“) lässt gern Milliönchen springen, wenn Wirbelsturm und Wirtschaftskrise zugeschlagen haben. Besonders interessant ist vor allem ein Projekt seiner Stiftung: das Restaurant „Soul Kitchen“ in Red Bank, in dem jeder nur so viel bezahlt, wie er mag oder als Gegenleistung mithelfen kann.

Ein Konzept, das sich für die nächste Welttournee geradezu aufdrängt.

Zur Startseite