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In der East Side Gallery klafft derzeit ein Loch - doch es könnte wieder geschlossen werden.

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Update

East Side Gallery: Grünanlage statt Hochhaus

Heute beginnen Gespräche zur East Side Gallery. Der grüne Bezirksbürgermeister Schulz will nun weder Hochhaus noch Brücke - lieber eine zusammenhängende Grünanlage. Doch der Plan stößt auf Widerstand.

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Nach den Massenprotesten am Wochenende, die internationale Beachtung fanden, sind sich alle grundsätzlich einig: Die East Side Gallery soll erhalten bleiben. Sogar das Mauerteil, das bereits entfernt wurde, könnte wieder eingebaut werden. Ob diese Ziele erreichbar sind und wie, wollen die Beteiligten möglichst im Konsens klären. Aber noch gehen die Interessen weit auseinander.

Die Gespräche sollen am heutigen Donnerstag beginnen. Beteiligt sind die Senatsverwaltungen für Finanzen und für Stadtentwicklung, die Senatskanzlei, Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) und die Investoren. Die Bauplanung stehe aus Sicht des Senats nicht infrage, aber die East Side Gallery solle erhalten bleiben, sagt Senatssprecher Richard Meng.

Der Bezirksbürgermeister Schulz würde gern den Bau des Hochhauses stoppen, bräuchte dafür aber die Unterstützung des Senats. Zwar hat der Bezirk im Herbst 2012 ein Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans eingeleitet, damit aus dem Areal an der Spree eine zusammenhängende Grünanlage werden kann. Verbunden mit dem Vorschlag, dem privaten Investor ein anderes Grundstück zum Tausch anzubieten. Doch Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) lehnte dies ab, unter anderem mit dem Hinweis, dass es sich nicht um ein Gebiet von gesamtstädtischer Bedeutung handele.

Friedrichshain-Kreuzberg fiele es nicht schwer, auf die geplante Fußgänger- und Fahrradbrücke über die Spree zu verzichten, sagt Bürgermeister Schulz. Allerdings könne das Bezirksamt nicht allein entscheiden, was aus dem Brommy-Steg wird, weil der Senat für Finanzierung, Planung und den Bau von Brücken zuständig sei. In jedem Fall könne die Brücke ohne einen Mauerdurchbruch verkehrlich angebunden werden, „einfach über die vorhandenen Wege“, sagt Schulz.

Möglich sei auch, eine vorhandene Mauerlücke am früheren Oststrand zu erweitern, um damit einen neuen, großen Durchbruch zu verhindern. Diese Lösung werde derzeit geprüft, teilte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Donnerstag mit. Einer der Investoren müsste dazu sein Bauprojekt umplanen, um zum Beispiel Rettungswege für die Feuerwehr zu schaffen. Es gebe aber die Bereitschaft, nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen.

Grüne wollen das Gründstück eintauschen

Das ein Meter breite Segment, das Bauarbeiter aus der East Side Gallery geschnitten haben, steht nun wie ein Kunstwerk auf dem Grünstreifen zwischen Mauer und Uferradweg und ist bereits eine Touristenattraktion. Fotos werden geschossen. Auch auf der anderen Seite der Gallery, zur Mühlenstraße hin, schauen Neugierige auf die Lücke, die seit dem Wochenende in der Mauer klafft und mit einem Bauzaun versperrt ist. An der Absperrung hängen Plakate von Demonstranten. „Geschichte muss sichtbar bleiben“, steht auf einem Transparent. „Auch im Ausland redet man darüber, dass in Berlin der letzte erhaltene Mauerstreifen abgerissen wird“, sagt ein Engländer, der mit seiner Freundin in die Stadt kam.

Das neue Loch ist ja nicht die einzige Lücke in dem 1,3 Kilometer langen Mauerstreifen. Fünf Durchbrüche gibt es. Ein 50 Meter breites Stück wurde entfernt, um die Uferanlegestelle gegenüber der O2-Arena zugänglich zu machen. Die anderen Lücken sind jeweils fünf bis zehn Meter breit. So können das Wirtshaus Löwenbräu Speicher, das Eastern Comfort Hostelboat und das frühere Oststrand-Gelände nur durch Löcher in der Gallery erreicht werden. Zusätzlich gibt es einen Durchgang für Fußgänger und Radler. Die Segmente wurden nicht zerstört, sondern stehen als Einzelstücke auf dem Grünstreifen hinter der East Side Gallery.

Die Bauvorhaben am Spreeufer gehen auf einen städtebaulichen Ideenwettbewerb von 1992 zurück, der den Wiederaufbau der Brommybrücke und eine „niedrige gewerbliche Struktur mit eingestreuten Solitären unter Freilassung einer Uferpromenade“ vorsah. Auf der Grundlage dieser Planung beschloss das Bezirksamt Friedrichshain 1997 die Aufstellung eines Bebauungsplans, der 2005 (nach der Neugliederung der Berliner Bezirke) vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg festgesetzt wurde. An der Mühlenstr. 60 sollte ein 60 Meter hohes Wohngebäude entstehen, auf dem Nachbargrundstück 61-63 ein 140 Meter langer und 30 Meter hoher Gebäuderiegel.

Nach Darstellung des Bezirksbürgermeisters Schulz sind seitdem alle Bemühungen des Bezirksamts gescheitert, diese Neubauten zu verhindern. Zuletzt forderte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im November 2010 auf Antrag der Grünen, sich beim Senat für einen „wertgleichen Tausch der Grundstücke“ einzusetzen. Da bereits Baurecht bestehe und eine einseitige Änderung des Bebauungsplans zu Schadensersatzansprüchen führen würde, sei dies die bessere Lösung, hieß es in dem BVV-Beschluss.

Im Herbst 2012 lehnte die Finanzverwaltung des Senats dieses Ansinnen endgültig ab. Noch am letzten Mittwoch sagte Bürgermeister Schulz in der BVV-Fragestunde, damals habe sich der Bezirk auch von den Bürgern „allein gelassen gefühlt“. Hätte es im letzten Herbst Proteste gegeben, „hätte man noch etwas erreichen können“.

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