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Dmitri Vrubel: Kult um knutschende Kommunisten

Künstler Dmitri Vrubel beginnt mit der Wiederherstellung des "Bruderkusses" an der East Side Gallery.

Von Anna Sauerbrey

Endlich. Nachdem er eineinhalb Stunden lang im Minutentakt Interviews gegeben und Kameras jeder Größe sein etwas lückenhaftes Lächeln gezeigt hat, steigt Dmitri Vrubel auf eine Klappleiter am Segment 187. Mit Zollstock und Bleistift beginnt er, das Terrain zu markieren auf der weißen, frisch sanierten Mauer. In den nächsten zwei Wochen wird der Künstler an der East Side Gallery den „Bruderkuss“ malen, wie schon einmal, 1990. Breschnew und Honecker, die Touristenlieblinge an der Mauergalerie, werden wieder innig vereint.

„Die East Side Gallery darf natürlich nicht auf ein Bild reduziert werden“, sagt Kani Alavi inmitten des medialen Trubels um den ersten Bleistiftstrich. Zu spät. Mehr als 45 Presseanfragen aus allen Ecken der Welt hat der Sprecher der Künstlerinitiative East Side Gallery dieser Tage beantwortet. Den Rummel betrachtet auch ein anderer mit gemischten Gefühlen: Régis Bossu. Unter dem Arm trägt der Franzose einen Karton mit großformatigen Abzügen seines Fotos vom „Bruderkuss“. Bossu war es, der es 1979 beim 30. Geburtstag der DDR das merkwürdig intime Bild küssender alter Männer schoss. „Paris Match“ druckte es auf einer Doppelseite. In der spontanen Euphorie der Wendejahre erhielt der magische Schnappschuss dann mit Vrubels Gemälde neue Bedeutung. Der Urheberschaft Bossus trägt nun erstmals eine Ausstellung im East Side Hotel Rechnung.

Jetzt, 20 Jahre später, ist die Magie seltsam verflogen. Die knutschenden Kommunistenführer waren, wie die ganze Gallery, sanierungsbedürftig. Um die Sanierung aber gibt es, wie berichtet, Krach. Vier Eigentümer an die Mauer grenzender Grundstücke machen der Künstlerinitiative zu schaffen. Sie verweigern einen Eintrag in das Grundbuch, der den Bestand der Mauer auf den Grundstücken für 15 Jahre garantieren würde. Der Eintrag allerdings ist Bedingung dafür, dass die gesamten 2,5 Millionen Euro Fördergelder von Bund, Land, EU und Lotto fließen. Sprecher Kani Alavi ist dennoch überzeugt, dass das Projekt bis zum Mauerfallgedenken im November beendet wird. Inklusive Vrubels „Bruderkuss“, eine Kopie von einer Kopie, Dokument vergangener Spontanität. 

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