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© privat

Vermisst: Gesucht: Afonso und Juan

Afonso Tiago verschwand im Januar, Juan Miguel im Februar: Zwei junge Männer aus Kreuzberg und Neukölln sind unter ähnlichen Umständen verschwunden. Freunde vermuten einen Zusammenhang.

Sie wohnten keinen Kilometer auseinander, sie wollten beide in einen Szeneclub nahe oder an der Spree, beide sind fast gleichaltrig, beide lebten etwa ein halbes Jahr in der Stadt – und nun sind beide verschwunden. Am 10. Januar verschwand, wie berichtet, der 27-jährige Portugiese Afonso Tiago. Und am 14. Februar verschwand der 26-jährige Kolumbianer Juan Miguel López Gil. Mittlerweile sind im „Kreuzköllner“ Kiez die von Freunden angeklebten Flugblätter ebenso zahlreich wie die Spekulationen. Tiago wohnte in der Forster Straße in Kreuzberg, Miguel in der Tellstraße nahe der Neuköllner Sonnenallee. Dazwischen liegt eigentlich nur der Landwehrkanal.

Wie kann es sein, dass zwei junge Männer einfach so verschwinden? Viele, die das beschäftigt, verweisen auf die erstaunlichen Parallelen der beiden mysteriösen Vermisstenfälle. Juan Miguel hatte sich an einem Sonnabend kurz vor Mitternacht von seiner deutschen Ehefrau verabschiedet, er wollte noch ins „Watergate“ direkt an der Oberbaumbrücke. Ob er dort ankam, ist unklar.

Afonso Tiago, der in Berlin als Ingenieur arbeitet, hatte sich mit seinen WG-Mitbewohnern im Friedrichshainer „Berghain“ amüsiert. Gegen 3.30 Uhr an jenem Sonnabend verließ er mit einem Freund den Club am Ostbahnhof. An einem Geldautomaten im Bahnhof trennten sich die beiden Männer – es ist das letzte Lebenszeichen von Tiago. Mitbewohner und Verwandte des Portugiesen berichteten, dass ein plötzliches Verschwinden nicht zu dem jungen Mann passen würde. Das gleiche sagt auch Miguels Ehefrau über ihren Mann. „Leider hat sich bisher nichts ereignet, keiner hat Juan Miguel je gesehen oder gehört“, schreibt die Ehefrau auf einer Internet-Suchseite.

Gleiches gilt für Afonso Tiago. Nach ihm hat die Polizei bereits mehrere Suchaktionen gestartet. So suchten Taucher die Spree zwischen Oberbaumbrücke und Ostbahnhof ab, eine Hundertschaft durchkämmte den Görlitzer Park. Gefunden wurde nichts. Im neuen Fall Juan Miguel hat die Polizei noch keine Suchaktionen gestartet, der Kolumbianer ist auch noch nicht auf der Internet-Vermisstenseite der Polizei zu finden. Das Präsidium bestätigt aber, dass die Ehefrau ihren Mann am 16. Februar als vermisst gemeldet hat. Gibt es einen Zusammenhang zwischen beiden Fällen? Die Ermittler sehen ihn derzeit nicht. „Es werde geprüft“, hieß es – das ist die Standardformulierung der Polizei in solchen Fällen, und natürlich ist es eine Selbstverständlichkeit. Berichtenswert wäre allenfalls, wenn die Polizei auf die Prüfung eines möglichen Zusammenhanges verzichten würde.

Im vergangenen Jahr wurden in Berlin 3285 Erwachsene als vermisst gemeldet. Die meisten waren nach wenigen Tagen wieder da, die wenigsten Fälle wurden öffentlich. Bei Erwachsenen wird die Vermisstenstelle im Landeskriminalamt erst nach zehn Tagen eingeschaltet – um die Spezialermittler nicht zu überlasten. Die ersten zehn Tage ermittelt die örtliche Kripo im Umfeld des Verschwundenen, auf personalintensive Großaktionen wird in aller Regel verzichtet. Nur bei Kindern übernimmt das LKA sofort die Ermittlungen.

Ohnehin kann niemand einem Erwachsenen verbieten, sich plötzlich und spurlos aus seinem sozialen Umfeld zu entfernen. Jeder darf, ohne seinen Verwandten etwas zu sagen, nach Australien auswandern. Die meisten Fälle hatten sich im vergangenen Jahr von selbst geklärt. Viele Menschen tauchten einfach wieder auf. Andere hatten sich das Leben genommen. Besonders ältere, verwirrte Menschen, die vielleicht nicht mal ihren Namen nennen können, werden als „hilflose Personen“  in eine Klinik gebracht. Dies könnte auch im Fall Juan Miguel gelten, da der Kolumbianer nach Angaben seiner Frau an epileptischen Anfällen leidet.

Neu an den beiden Fällen aus Neukölln und Kreuzberg ist vor allem, dass sich Freunde und Verwandte der beiden Männer derartig massiv an die Öffentlichkeit gewandt, Tausende Plakate geklebt und Aufrufe im Internet gestartet haben.

An den „großen Unbekannten“, der junge Südländer aus Szeneclubs an der Spree entführt, glaubt in der Polizei niemand. Hinweise auf eine Straftat gebe es in beiden Fällen nicht, teilte die Polizei mit. Viel wahrscheinlicher sei doch, dass jemand nach einem Diskothekenbesuch betrunken oder im Drogenrausch ins Wasser fällt, hieß es. Im Fall Tiago sei zudem nicht ausgeschlossen, dass der Portugiese leichtsinnigerweise versucht habe, die damals zugefrorene Spree zu Fuß zu überqueren.

Hinweise an die Vermisstenstelle unter Telefon 4664 912402. 

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