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Dirigierter Volkszorn: China schickt Fischerboote in japanische Gewässer

Peking lässt die Proteste gegen Tokio im Streit um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer gezielt eskalieren. Nun werden Fischer ausgeschickt.

China lässt die Beziehungen zu Japan wegen des Streits um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer kontrolliert eskalieren. Am Montag gab das Staatsradio bekannt, dass rund 1000 chinesische Fischerboote die Gewässer rund um die umstrittenen Inseln anlaufen wollen. „Die Gewässer unterliegen chinesischer Rechtsprechung und sind traditionelle Fischgründe chinesischer Fischer“, zitiert die Nachrichtenagentur Xinhua den chinesischen Außenamtssprecher Hong Lei. Zudem drohte China mit Wirtschaftssanktionen und einem Handelskrieg, falls Japan im Streit um die Inseln im Ostchinesischen Meer nicht nachgebe.

Die chinesischen Sicherheitskräfte vor der japanischen Botschaft in Peking dirigierten derweil die antijapanischen Proteste. Nur in Gruppen zu je 100 Personen ließen sie die Demonstranten auf den abgesperrten Protestparcours. Hatte eine Gruppe zu Ende protestiert, durfte die nächste auf die Strecke. Die Hongkonger Zeitung „Ming Pao“ berichtet sogar von Anweisungen der Zivilbeamten, die Demonstranten sollten ausländischen Medien die „Qualität chinesischer Bürger“ beweisen. „Denkt daran, die Nationalhymne zu singen“, lautete eine Vorgabe. „Die Gesichtsausdrücke müssen ernst bleiben, lacht nicht und spielt nicht mit euren Mobiltelefonen.“

Schon jetzt rufen viele zum Boykott japanischer Waren auf. Andere versuchen, ihren Besitz zu schützen, wie jener Toyota-Fahrer, der sein Fahrzeug mit einer Erklärung behängt hat: „Ich habe dieses Auto gekauft, bevor die Japaner Mist gebaut haben – ab jetzt werde ich alle japanischen Produkte boykottieren.“

Auch Canon und Panasonic spüren die Proteste. Beide japanischen Firmen mussten ihre Fabriken in mehreren chinesischen Städten schließen. Chinesische Arbeiter hatten sich geweigert, weiter für sie zu arbeiten. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua bedauert die Fabrikschließungen, schreibt aber auch: „Die japanische Regierung ist schuld an den ,Kollateralschäden’ chinesischer Proteste.“ Die Regierung hätte die Konsequenzen der Entscheidung, drei der umstrittenen Inseln aus Privatbesitz zu kaufen, absehen müssen, erklärt Xinhua: „Vor dem Hintergrund der schwer belasteten Geschichte japanischer Invasionen in China in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hätte Japan vorhersehen müssen, dass jede plötzliche Handlung, die Chinas Souveränität bedroht, die Flammen des Zorns im chinesischen Volk entfachen würde.“

Im Internet kursieren Randale-Videos - doch sie verschwinden schnell wieder.

Tatsächlich sind am Wochenende bei den schwersten antijapanischen Demonstrationen seit 2005 in zahlreichen chinesischen Städten japanische Autos, Geschäfte und Fabriken den Flammen des Zorns zum Opfer gefallen. Andernorts ließen sich die Demonstrationen offenbar weitaus weniger gut kontrollieren als in Peking. Im Internet kursieren Fotos der Schäden, die von der Zensur aber schnell wieder entfernt werden.

Chinesische Zeitungen versuchten am Montag, die Demonstrationen gutzuheißen, riefen aber gleichzeitig zu Besonnenheit auf. „Dem Eigentum eines Landsmannes Schaden zuzufügen oder seinen Ärger an einem japanischen Bürger in China auszulassen, ist äußerst unpassend“, schreibt die „Volkszeitung“, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei. US-Verteidigungsminister Leon Panetta mahnte in Tokio eine friedliche Lösung an. „Es ist extrem wichtig, dass diplomatische Mittel auf beiden Seiten genutzt werden, um zu versuchen, diese Angelegenheiten konstruktiv zu lösen“, sagte Panetta, bevor er nach Peking aufbrach.

In Chengdu startete unterdessen der Prozess gegen den ehemaligen Polizeichef von Chongqing. Wang Lijun ist neben dem gestürzten Spitzenpolitiker Bo Xilai einer der Hauptprotagonisten in Chinas größtem Politskandal seit Jahrzehnten. Weil Staatsgeheimnisse betroffen seien, berichtet die „South China Morning Post“, werde unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Doch die ist ohnehin mit anderem beschäftigt. Für den heutigen Dienstag, dem 81. Jahrestag des Mukden-Zwischenfalls und der nachfolgenden japanischen Besetzung der Mandschurei, sind weitere antijapanische Proteste angekündigt.

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