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Magath rein, Hoeneß raus: Oh, wie schön ist Wolfsburg

Zurück zum Mount Magath: Schalkes entlassener starker Mann hat sich heute in Wolfsburg vorgestellt - als starker Mann. Der geschasste Manager Dieter Hoeneß gibt sich gefasst.

Wo sind die Socken, die Unterhosen, die Anzüge… Egal, im Kleiderschrank hängt noch eine grüne Krawatte, Felix Magath trägt sie stolz und selbstbewusst. Schön, wieder zu Hause zu sein. In Wolfsburg, wo Felix Magath vor 22 Monaten den Gewinn der Deutschen Meisterschaft feierte und wo er jetzt den Absturz in die Zweite Liga verhindern soll. Sein Comeback ist die nächste, die verrückteste Volte in einer an verrückten Trainer- und Funktionärsgeschichten reichen Saison der Fußball-Bundesliga. Van Gaal und Rangnick und Veh und Hoffmann und Kraus – alles schön und gut. Aber dass einer am Mittwoch  mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt wird und am Freitag eine neue Trainerkabine und einen neuen Schreibtisch bezieht, das dürfte kaum zu steigern sein.

Nach dem Anruf aus Wolfsburg hat Felix Magath erst mal den Termin mit dem Schalker Aufsichtsrat an seinen Anwalt delegiert. Warum soll er sich selbst um Sachen kümmern, für die er einen anderen bezahlt, und wenn es dabei um eine millionenschwere Abfindung geht – sei’s drum,  „für mich ist die Angelegenheit mit Schalke 04 erledigt“, sagt der Fußballlehrer Magath, der wohl selbst ein wenig überrascht davon ist, wie schnell er nach seinem skurrilen Abschied in Gelsenkirchen wieder Fußball lehren darf.

„Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen“, referiert Francisco Garcia Sanz, der Vorsitzende des Wolfsburger Aufsichtsrates. „Die Situation ist dramatisch“, und im Gespräch mit dem vormaligen Manager Dieter Hoeneß seien leider „unterschiedliche Beurteilungen der Lage und der einzuleitenden Maßnahmen“ zu Tage getreten. Welche? „Ich glaube nicht, dass man darüber in der Öffentlichkeit reden muss“, erwidert Sanz, der Vertrag mit Hoeneß sei jedenfalls aufgelöst worden.

Wolfsburg beschafft sich einen Magath

Neben seinem Job als oberster Aufsichtsrat verantwortet Francisco Garcia Sanz im Vorstand des Geldgebers VW das Ressort „Beschaffung“. Jetzt hat er dem Klub in Rekordzeit einen neuen Trainer und Geschäftsführer beschafft, er sagt dazu, dass es „solche Geschichten  nur im Fußball gibt“. Und: „Wenn Sie mir vor ein paar Wochen gesagt hätten, dass wir Felix Magath zurückholen,  hätte ich Sie für verrückt erklärt.“ Auf die Frage, warum der VfL denn nach den schlechten Erfahrungen zuletzt mit dem vor einem Jahr entlassenen Armin Veh wieder Geschäftsführung und Traineramt in einer Person bündelt, antwortet Sanz, das hänge immer von der Person ab: „Es gibt Manager, die können das, es gibt Trainer, die können das. Und es gibt Felix Magath.“

Hoeneß geht ans Telefon

Nachmittags um drei steht Magath zum ersten Mal auf dem Trainingsplatz, und sein Büro im zweien Stock der VW-Arena hat er auch schon bezogen. Pierre Littbarski und Dieter Hoeneß haben Kabine und Schreibtisch für ihn geräumt. Hoeneß sagt dazu am Telefon, dass er nicht zu sagen hat. Er klingt gefasst und unaufgeregter, als es die Lage erwarten ließe, seine persönliche und die des Vereins.

Nach 26 von 34 Spieltagen steht der mit Millionenaufwand aus dem Automobilbau alimentierte Klub auf dem vorletzten Tabellenplatz, zwei Punkte hinter Platz 16, der immerhin zwei Relegationsspiele gegen den Zweitligadritten ermöglicht. Am Sonntag kommt es zum ersten von acht Endspielen. Beim VfB Stuttgart, einem früheren Arbeitgeber von Magath, davon gibt es bekanntlich einige in der Bundesliga, insgesamt sechs. Die Stuttgarter hat er vor zehn Jahren vor dem Abstieg bewahrt, als er den Job zu einem ähnlich späten Zeitpunkt antrat, Ende Februar. „Falls es Sie interessiert – mein Vorgänger damals war Ralf Rangnick“, sagt Magath, und das ist in der Tat eine nette Pointe, schließlich soll unter dem Trainer Rangnick jetzt auf Schalke alles besser werden, als es unter Magath war.

Sverrisson muss gehen, Littbarski vorerst nicht

Anders als der noch von Hoeneß kurzfristig akquirierte Kotrainer Eyjölfur Sverrisson ist der entmachtete Übergangscheftrainer Pierre Littbarski seinen Job nicht sofort losgeworden. Alles ein bisschen dumm gelaufen für ihn, dass er pünktlich zum Dienstantritt des neuen starken Mannes dem „Kicker“ ein Interview gegeben und darin den schlechten Tabellenstand als langfristige Folge von Magaths Arbeit in Wolfsburg bezeichnet hat. Gleich nach dem Machtwechsel haben die beiden ein Gespräch geführt, in dem es natürlich auch um Littbarskis Fehleranalyse ging. „Ich bin es gewohnt, mit Kritik umzugehen“, sagt Magath und dass Littbarski selbstverständlich ein Recht auf seine eigene Meinung habe, „er sagt, was er denkt und gelernt hat“. Aber: „Alle meine Mannschaften haben sich in den vergangenen vier Jahren für den Europapokal qualifiziert, so schlecht kann meine Arbeit nicht gewesen sein".

Magath wie ein Tourismus-Werber

Gut 1500 Schaulustige kommen zu Magaths ersten Training, obwohl sich Wolfsburg von seiner nassen und kalten und grauen Seite zeigt, ganz nach der landläufigen Meinung - die natürlich ein Vorurteil ist. Sagt Felix Magath. Er  spricht von Wolfsburg, als wolle er nach dem Auslaufen seines vorerst bis 2013 befristeten Vertrags die Leitung des örtlichen Fremdenverkehrsvereins übernehmen. Seine Frau und Kinder seien beim Abschied aus Wolfsburg gar nicht begeistert gewesen, „die sagen heute noch:  Oh, wie schön war es doch in Wolfsburg!“

Diese Zuneigung teilt nicht jeder, auch nicht aus der gut bezahlten Mannschaft. Der Nationalspieler Arne Friedrich etwa hat auch nach seinem Wechsel von Hertha BSC zum VfL den alten Wohnsitz behalten, und auch manch anderer Profi murrt unter der Hand, das  Beste an Wolfsburg sei neben den Überweisungen von VW die schnelle ICE-Verbindung nach Berlin. Magath aber hat es sich bei seinem ersten Aufenthalt am Mittellandkanal so gemütlich eingerichtet, dass er gern zurückkommt. Die Meisterschaft war das eine Denkmal, das er sich gesetzt hat. Das zweite Denkmal steht hinter dem windigen Trainingsplatz, es ist der Mount Magath, ein aufgeschütteter Erdwall, auf dem die Wolfsburger Fußballspieler knapp zwei Jahre lang fit gemacht wurden für die Deutsche Meisterschaft. Zuletzt haben nur noch ein paar Rentner davor gestanden und den Profis zugeschaut, wie sie sich in der Ebene in Form brachten für neue Herausforderungen gegen neue Gegner aus Paderborn, Aue oder Köpenick. Jetzt ist Felix Magath wieder da und die Rentner werden wohl weichen müssen, wenn auch nicht an diesem Freitag, weil Magath da besseres zu tun hat, nämlich die Mannschaft kennen zu lernen.

Der Stürmer Grafite hat gleich nach der Meldung über den Trainerwechsel via Facebook verlauten lassen, er werde in den nächsten vier Spielen acht Tore schießen. Schöne Sache vom Grafite, sagt Magath, er nennt ihn Grafitschi, „aber ich erwartete vom Grafitschi natürlich, dass er neun Tore schießt.“

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