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Baltische Leckereien. Auf der Grünen Woche will Lettland mit der Qualität seiner Produkte überzeugen. Seit Beginn der Russland-Krise braucht der kleine Staat mehr denn je neue Abnehmer für seine Agrarerzeugnisse und verarbeiteten Lebensmittel.

© Maris Hubschmid

Partnerland auf der Grünen Woche 2015: Honig aus den wilden Wäldern Lettlands

Lettland ist Partnerland der Grünen Woche. Die Agrar- und Forstwirtschaft sind für den kleinen EU-Staat extrem wichtig - gerade jetzt, wo der wichtige Handelspartner Russland unter Sanktionen schwächelt.

Von Maris Hubschmid

Vor seinem Milchkarussell steht Vitauts Karlsons und sieht 1300 Kühe, die fehlen. Den Verantwortlichen kennt er genau: Wladimir Putin, erklärt er, hat Schuld daran, dass er in seinem Stall weit weniger Tiere zählt, als dort sein sollten. 13,5 Millionen Euro hat sein Unternehmen, die Agrofirma Tervete, in den Milchbetrieb investiert, modernste Belüftungstechnik, eine Melkanlage – das Karussell –, in der 80 Kühe gleichzeitig gemolken werden können. Auch die EU hat Geld in die Farm gesteckt: 1,5 Millionen Euro. Auf 3300 Tiere ist der Betrieb ausgelegt – doch aktuell sind es nur rund 2000. Karlsons, der die Geschäfte leitet, wollte längst aufgestockt haben. Doch er wird seine Milch nicht mehr los.

Anfang 2014 bekamen Bauern für die Tonne 400 Euro, inzwischen ist es gerade mal die Hälfte. Mit dem von Russland verhängten Importstopp ist Lettland der wichtigste Abnehmer verloren gegangen. „Wir können zur Zeit nicht effizient arbeiten“, bedauert Karlsons.

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Wie kaum ein anderes europäisches Land leidet Lettland, das enge Handelsbeziehungen zum angrenzenden Russland hat, unter Moskaus Sanktionen. Umso größer sind die Hoffnungen, die der baltische Staat in die Grüne Woche setzt: Zum 20. Mal ist er auf der Messe in Berlin vertreten, diesmal erstmalig als Partnerland. Mehr als 100 Aussteller aus dem baltischen Staat präsentieren bis Ende nächster Woche ihre Produkte in Halle 8.2, die Vorbereitungen laufen seit Monaten. „Wir hoffen, auf der Grünen Woche neue Kontakte zu knüpfen und Deutschland von der Qualität unserer Produkte überzeugen zu können“, sagte Landwirtschaftsminister Janis Duklavs vorab.

Flucht in die Nische

Bisher hat Lettland es schwer, mit seinen landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf dem globalen Markt Fuß zu fassen. Das Land mit seinen zwei Millionen Einwohnern ist einfach zu klein. Mit den Mengen, die geerntet werden, kann es dem Preisdruck ausländischer Großkonzerne kaum etwas entgegensetzen.

Immer mehr Bauern flüchten sich deshalb in die Nische. Sie setzen wie die Agrofirma Tervete, die neben Milch auch Pflanzen, Biogas und Bier produziert, auf biologischen Landbau. So auch die Familie Grislitis. Seit zehn Jahren baut sie in der Region Auces Getreide an. Viele sattelten hier bereits in den neunziger Jahren auf ökologische Produktion um. „Nach der Wende kosteten die Mineralmittel fürs Düngen viel Geld“, sagt Bauer Grislitis. Inzwischen wächst in der Euro-Zone die Nachfrage nach Bio-Produkten – und es gibt Flächenprämien für biologischen Anbau von der EU.

Mit zwei Mitarbeitern bewirtschaften die Grislitis 210 Hektar Land. Tochter Maggie (14) möchte den Betrieb einmal übernehmen, ihre Schwestern dagegen träumen davon, Polizistin und Ärztin zu werden. Wie auch in Deutschland werden Familienbetriebe in Lettland seltener, die Kinder zieht es in die Städte. Aber auch der Markt macht es kleinen Betrieben schwerer: Wenige Kilometer vom Hof der Grislitis entfernt hat ein Däne einen Schweinemastbetrieb mit 5000 Tieren aufgezogen. „Die großen Betriebe pressen die Mitarbeiter aus“, sagt Mutter Marika Grislitis.

Womit verbindet man Lettland?

Nach Litauen ist Deutschland Lettlands wichtigster Handelspartner. Dabei wissen die meisten Deutschen wenig über das Land, das seit 2004 zur Europäischen Union gehört. Die Schweizer haben zum Beispiel Käse und Schokolade, doch womit verbindet man Lettland? Honig ist ein beliebtes Exportprodukt und tatsächlich in vielen deutschen Supermärkten zu finden. Auf der Grünen Woche werden in diesen Tage teils ungewöhnliche Kreationen wie Knoblauchhonig verkostet. Auf den Tisch kommen außerdem ein süßliches Roggenbrot sowie Fisch und alles, was der Wald zu bieten hat: reichlich Wild, Pilze und Moosbeeren. Denn der Wald macht mehr als die Hälfte des lettischen Staatsgebiets aus.

Einer der größten Wirtschaftszweige Lettlands ist deshalb die Holzwirtschaft. „Binnen fünfzig Jahren hat sich der Anteil der bewirtschafteten Waldflächen verdoppelt“, heißt es bei der Organisation „Lettische Staatswälder“. Lettisches Faserholz wird in der Bundesrepublik zum Beispiel zu Papier verarbeitet, Unterbau für Sitze und Böden von Porsche und Mercedes sind Zuschnitte aus Lettland.

Und: Auch Vanillin, das in etlichen Süßigkeiten steckt, wird aus dem Holz der Wälder gewonnen. Eine besondere Spezialität ist zudem der Birkensekt. Der ist – anders als Karlsons Milch – ein echtes Unikat auf dem europäischen Markt. Und er eignet sich prima zum Anstoßen auf neue Geschäftsverträge.

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