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Fortan verbindet sie Deutschland und Westeuropa direkt und unter Umgehung von Transitländern mit einem der größten Erdgasfelder der Welt.

© dpa

Erdgas durch Ostsee: Pipeline-Eröffnung im Mief einer Männerfreundschaft

Heute feiert die Politik in Lubmin den Start der Ostsee-Pipeline und verschweigt unbequeme Wahrheiten. Das Projekt hilft zwar, Zentraleuropas Gasbedarf zu sichern - aber zu einem hohen Preis.

Man achte auf die Feinheiten in der Wortwahl: Was da heute im Ostseebad Lubmin passiert, ist ein „Festakt“ – keine „Feier“, kein „Volksfest“. Das schon gar nicht. Volk könnte in diesem Fall tatsächlich nur stören, geht es bei diesem Akt, der dort vollzogen werden soll, doch um hohe Politik. Nicht um trutschige Verbraucherpolitik, „Gedöns“, wie Gerhard Schröder einst sagte, auch um Energiepolitik geht es nur bedingt. Bürgerfragen nach dem Nutzen wären fehl am Platz. Es geht um strategische, langfristige Außenpolitik: Und die Protagonisten hoffen auf einen Kurzeintrag in die Geschichtsbücher.

400 geladene Gäste sollen der feierlichen Eröffnung der Gaspipeline beiwohnen, die russisches Erdgas über 1224 Kilometer durch die Ostsee nach Deutschland befördert. Angela Merkel und Dmitri Medwedew wollen symbolisch den Hahn öffnen.

Auch in der ersten Zuschauerreihe stehen Politiker: Altkanzler Schröder, der das Milliardenprojekt einst mit Wladimir Putin ausheckte, gegen politische Widerstände durchdrückte und nach Ausscheiden aus dem Amt beratend begleitete. Dieser Mief einer deutsch-russischen Männerfreundschaft ist mit den Jahren nie ganz verflogen. Hätte Schröder sich als Privatmann rausgehalten, könnte man ihm heute eher abnehmen, dass es ihm um Deutschlands Energiesicherheit geht. So kaum.

Auch die Regierungschefs aus den Niederlanden und Frankreich erweisen den Russen mit ihrer Anwesenheit in Lubmin ihre Reverenz. Und – zum Glück – EU-Energiekommissar Günther Oettinger.

Wäre es eine Hochzeitsfeier, wäre er der beschwipste Onkel, von dem die Gastgeber hoffen, er möge bitte nicht das Wort ergreifen, es werde sonst peinlich. Mancher Gast aber hofft klammheimlich, dass er es doch tut. Soll er unbequeme Wahrheiten aussprechen, erst dann wird es ein Fest, über das man noch lange spricht.

Eine dieser Wahrheiten lautet: Die Pipeline hilft zwar, Zentraleuropas Gasbedarf zu sichern – das aber zu einem sehr hohen Preis. Denn mit dem Pipelinebau ist es dem staatlichen Exportmonopolisten Gazprom und seinen EU-Partnern gelungen, den Gaspreis über viele Jahre auf hohem Niveau zu fixieren. Dass auf den Rohstoffmärkten weltweit wegen neuer Fördertechniken von einer Gasschwemme die Rede ist, die die Preise immer tiefer drückt, werden Privatkunden hierzulande kaum zu spüren bekommen. Sie zahlen mit ihrer Gasrechnung zunächst die 7,4 Milliarden Euro Baukosten zurück. Oettinger fordert daher mehr Gasquellen im Sinne des Wettbewerbs, der Verbraucher.

Der Mann muss qua Amt nach Lubmin eingeladen werden, aber die Russen misstrauen ihm. Moskauer Energiefunktionäre beschuldigen ihn offen der Betriebsspionage. Er habe vor wenigen Wochen die Razzien veranlasst, bei denen in mehreren EU-Staaten Büros von Gazprom und seinen Importeuren durchsucht worden waren. So gewinnt man keine Männerfreundschaft, aber – im Sinne der Bürger – etwas Kontrolle über eine undurchsichtige Situation.

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