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Medien: Der Feind in meiner „taz“

Zum Jubiläum wollte sich die Zeitung feiern lassen – im Mittelpunkt stand ein anderer

Wer hätte gedacht, dass „taz“-Redakteure derart servil sind. „Ganz wie Sie das möchten“ … „Da musst du den Chefredakteur fragen“ … „Das entscheidet der Chefredakteur“. Vielleicht ist das eine besonders subtile Form von passivem Widerstand. Denn wie soll ein Chefredakteur über tagesaktuelle Politik berichten, wenn das Parlamentsbüro nicht besetzt ist? „Da ist heute keiner. Wir dachten, Sie machen alles.“

Heute vor 25 Jahren erschien die „taz“ zum ersten Mal. So einen Geburtstag begehen Zeitungen normalerweise mit einer Gala oder geschichtsträchtigen Artikeln honoriger Zeitzeugen. Oder, „taz“-typischer: mit einer weinerlichen „Weißt-du-noch-Ausgabe“, gestaltet von Redakteuren der ersten Stunde. Die „taz“, Expertin in Sachen Eigenwerbung, die nix kostet, machte es sich einfach. Sie lud ihre „Lieblingsfeinde“ ein, für einen Tag die Regie über die links-alternative Zeitung zu übernehmen. Klar, dass alle Medien in das Verlagshaus an der Berliner Kochstraße kamen, um zu berichten. Es war eine Showveranstaltung, die (ja, auch auf dieser Seite) ihre Wirkung nicht verfehlte. Und dennoch: Ganz so einfach viel es einigen doch nicht. Nach Redaktionsschluss auf der Dachterrasse sagte eine „tazzlerin“ mit Blick auf das benachbarte Springer-Hochhaus: Normalerweise schauen wir da rüber und sagen, guck’, da sitzt der Feind. Und nun steht er mitten unter uns und trinkt Bier.

Am Morgen, kurz vor halbzehn, waren die ersten Feinde an Ort und Stelle: RTL-Informationsdirektor Hans Mahr, Fernsehpfarrer Jürgen Fliege, der Berliner CDU-Werber Axel Wallrabenstein und der Ex-Regierende Eberhard Diepgen, der zugab, noch nie in den Räumen der „taz“ gewesen zu sein. Auch Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping war da. Er stand herum, unentschlossen, lächelte. Dann kam der große Auftritt. Offiziell war nicht ausgemacht, wer den Chefredakteur für diesen Tag spielt. Wie das bei der „taz“ üblich ist, wird so etwas basisdemokratisch entschieden. Wer hier der Chef der Truppe sein wird, war aber schnell klar, als „Bild“-Chef Kai Diekmann kam. Schnurstracks lief er zur Kopfseite des Konferenzraumes und nahm, ganz selbstverständlich, in der Mitte des Tisches Platz. Hans Mahr beeilte sich noch, direkt neben Diekmann zu sitzen. Die eigentliche „taz“-Chefin Bascha Mika hatte da Mühe, sich noch irgendwie dazwischen zu klemmen. Wo ein Diekmann ist, hat eine Mika keinen Platz. Jetzt wurde es kurz formell – Ex-Regierungssprecher Peter Boenisch wurde zum Alterspräsidenten ernannt, und der bestimmte, dass Diekmann Chef wird. „Kein Widerspruch? Dann ist das so entschieden.“

Diekmann rief zum Rückzug. Was am Sonnabend in der „taz“ steht, sollte „nicht auf dem Marktplatz ausgebreitet werden“. Im Nebenraum stellte er vor, was er ausgeheckt hatte. Im Schlepptau hatte er gleich eine ganze Hand voll „Bild“-Leute mitgebracht, einer davon trug eine gelbe Postkiste mit Stapeln von Fotos und anderen Utensilien. Alles, was man zum Zeitungmachen braucht, schien da rein zu passen. Diekmann setzte sich an den Tisch, ganz Chef, um ihn herum auf Stühlen die anderen, dazu Jörg Schönbohm (CDU), Peter Strieder (SPD) und – als einzige Frau – Gabi Zimmer (PDS), die es ja gewohnt ist, abseits auf einem Stuhl zu sitzen. Alle schwiegen, während der Chef sprach. Nur Fliege nervte mit Bemerkungen à la „Also ich finde, man sollte das anders machen“. Und nölte als Einziger, als Diekmann stolz ein zwei Seiten langes, von ihm geführtes Interview mit Altkanzler Helmut Kohl präsentierte. „Ein journalistischer Scoop“ für die „taz“, sagte Diekmann. Nie hätte Kohl der „taz“ ein Interview gegeben. Offensichtlich hatten ihm bisher nur die Fragensteller nie gepasst. Kohl lässt sich darin aus über die „taz“ und andere linke Medien, auch über „SZ“-Redakteur Hans Leyendecker (Diekmann: „Mein Lieblingsfeind.“). Fliege maulte wieder dazwischen: „Was ist daran spannend? Mich interessiert Kohl nicht.“ Diekmann überging ihn nicht zum letzten Mal an diesem Tag. „Ist alles nur ein Vorschlag“, sagte er. Neben Diekmann waren alle anderen Beiwerk. Mangels Gegenvorschlag und angesichts des grausam frühen „taz“- Redaktionsschlusses (die ersten Seiten müssen schon mittags fertig sein), blieb es bei dem, was der Chef bestimmte. Fliege durfte dann, wie von ihm gewünscht, den TV-Tipp („Wort zum Sonntag“) und den Kommentar „Knie nieder, taz-Leser“ schreiben.

Diekmann erfüllte alle Erwartungen: die als Kohl-Intimus und die als kreativer Blattmacher, der allerdings keinen Tag ohne Dieter Bohlen auskommt (diesmal mit einem unveröffentlichten Kapitel aus dem neuen Bohlen-Buch für die „Wahrheit“- Seite). Auch auf den Rechtsstreit mit der „taz“ ging Diekmann spielerisch ein. Erfolglos hatte er gegen eine „taz“-Satire geklagt, die sich – wahrheitswidrig – über seine angebliche Penisverlängerung lustig gemacht hatte. Mit einem Maßband auf der „Wahrheit“- Seite gibt es nun eine Geschichte, was man mit zehn Zentimetern alles anfangen kann.

Gabi Zimmer erwies sich derweil als fleißige Schreiberin, die sich hinter ihrem Computer versteckte, während Mahr den Star- Journalisten gab. Jürgen Trittin entlockte er mit dem geliehenen Aufnahmegerät eines (echten) „taz“-Redakteurs die Antwort auf die Frage: Darf man sich als Grüner freuen, wenn Schumacher Weltmeister wird? – und brach mit dem „taz“-Öko-Tabu, niemals über Motorsport zu berichten. Um 16 Uhr 45, eine halbe Stunde zu spät, ging die letzte Seite in Druck. Beim gemeinsamen Bier danach bemerkte eine „taz“-Frau: Wenn man den Diekmann persönlich so erlebt, merkt man: Der ist ja gar nicht so.“

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