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Medien: Die „Berliner Zeitung“ am Tag danach

Erstmal Mäuschen spielen wolle er, sagte Josef Depenbrock am Dienstag um halb elf, als er die erste Redaktionskonferenz der „Berliner Zeitung“ führte. Der neue Chefredakteur versuchte zu beruhigen.

Erstmal Mäuschen spielen wolle er, sagte Josef Depenbrock am Dienstag um halb elf, als er die erste Redaktionskonferenz der „Berliner Zeitung“ führte. Der neue Chefredakteur versuchte zu beruhigen. Es gebe keinen Grund, Angst zu haben, er wolle nichts umstürzen. Zunächst werde er sich beim Marketing und in der Marktforschung kundig machen. Auch um 13 Uhr bei der ohnehin geplanten Betriebsversammlung hielt sich Depenbrock zurück. Die Atmosphäre schilderte ein Teilnehmer als ruhig. Es gab kaum Fragen. Nur eine Gegenrede von Ewald B. Schulte, Mitglied des Redaktionsausschusses.

Am Montag sah das anders aus. Die für den Kneipenverkauf und die überregionale Verbreitung erstellte Frühausgabe mit vielen weißen Seiten und einer Erklärung der Redaktion an Stelle des Aufmachers wurde auf Betreiben der Geschäftsführung nicht gedruckt. Stattdessen erschien am Dienstag eine zwölfseitige Notausgabe voller Agenturmeldungen, der Erklärung der Redaktion auf Seite 1 und der Gegenrede des neuen Chefredakteurs auf Seite 2. Darin beschwört er, höchste Qualität in Text und Recherche sei oberste Maxime. Seine Doppelfunktion als Chefredakteur und Geschäftsführer diene dem Ziel, dass „journalistische Gesichtspunkte bei allen wesentlichen Entscheidungen des Unternehmens deutlich berücksichtigt werden“.

Intern sagte Depenbrock, der kommende Woche nach Berlin-Mitte umziehen wird, er schätze eine so lebendige und selbstbewusste Redaktion wie die der „Berliner Zeitung“. Das sei ihm lieber als „Langweiler“. Ansonsten verlief der gestrige Produktionstag weitgehend ruhig. Ein Redakteur meinte: „Was sollten wir anderes tun als nüchtern abzuwarten?“

Einen Stachel in die Seele vieler Redakteure hatte Depenbrock bei seiner Vorstellung am Montagnachmittag gesetzt. Wie in einem Teil der Tagesspiegel-Auflage berichtet, sagte er: Es sei nicht richtig, dass das „Vermischte“ als meistgelesene Seite des Blattes nur mit 1,6 Stellen ausgestattet sei, im Feuilleton dagegen ein ganzes Dutzend arbeite. Mancher in der Redaktion hofft schon auf Angebote, um die „Berliner Zeitung“ zu verlassen. Schon bei der „Hamburger Morgenpost“ musste Depenbrock keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen und teure Abfindungen zahlen. Es reichte, die „natürliche Fluktuation“ abzuwarten und frei werdende Stellen nicht nachzubesetzen.

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