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Medien: Entscheidung noch in diesem Monat

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement macht sein Urteil abhängig von der langfristigen Sicherung der Pressevielfalt in Berlin

TAGESSPIEGEL UND BERLINER ZEITUNG: ZWEITE ANHÖRUNG IM VERFAHREN UM EINE MINISTERERLAUBNIS FÜR HOLTZBRINCK

Von Ulrike Simon

Um 14 Uhr 45 ging es ans Eingemachte. „Jetzt muss irgendwann mal Schluss sein mit der Taktik“, sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der seit 11 Uhr die zweite mündliche Anhörung im Verfahren um eine Ministererlaubnis leitete. Darin geht es um den Antrag der Verlagsgruppe Holtzbrinck, den Berliner Verlag zu kaufen und die dort erscheinende „Berliner Zeitung“ verlagswirtschaftlich mit dem Tagesspiegel zusammenzulegen. Redaktionell sollen beide Blätter unabhängig voneinander geführt werden. Schon im April gab es die erste Anhörung. Danach wollte Clement von Holtzbrinck den Beweis erbracht bekommen, dass es für den Tagesspiegel keinen Käufer gibt, der gewährleisten könnte, dass die Zeitung dauerhaft und eigenständig weitergeführt wird. Und zwar ohne den Verbund mit einer zweiten Berliner Zeitung. Holtzbrinck ist der Ansicht, der Tagesspiegel hätte allein keine Chance und sei nur unter einem Dach mit der „Berliner Zeitung“ zu retten. Ansonsten müsse er eingestellt werden beziehungsweise würde als Lokalausgabe einer überregionalen Zeitung seine Eigenständigkeit verlieren.

Nach einer zweiten Pause endete die Anhörung um 15 Uhr 45. Clement sagte abschließend, er werde noch im September entscheiden, ob er die Ministererlaubnis erteilt. Dabei betonte er die Bedeutung der Pressevielfalt und deren langfristiger Sicherung in Berlin.

Im Kern ging es in der Anhörung um das Kaufangebot, das die Verlagsgruppe Bauer abgegeben hatte. Der Zeitschriftenverlag aus Hamburg, der Massentitel wie „Bravo“, „TV Movie“ und „Neue Revue“ herausgibt, hatte Anfang Mai erstmals sein Interesse am Tagesspiegel bekundet. Er bot 20 Millionen Euro, eine denkbare Bestandsgarantie von fünf bis sieben Jahren und zehn Millionen Euro Vertragsstrafe, falls er den Tagesspiegel vor Ablauf der garantierten Bestandsdauer einstellen würde. Zwar verbesserte Bauer Ende vergangener Woche dieses Angebot nochmals, indem er sagte, er werde all das garantieren, was Holtzbrinck jetzt und in Zukunft für den Tagesspiegel garantiert – also auch den Bestand über 20 Jahre. Bei der Anhörung am Dienstag sprach der persönlich angereiste Verleger Heinz Bauer jedoch zunächst wieder von den ursprünglich genannten Bedingungen.

Erst als Clement sagte, es gehe ihm um die Vergleichbarkeit der beiden Angebote von Holtzbrinck und von Bauer, versicherte der Zeitschriftenverleger, er würde sich dazu verpflichten, einen so genannten Ergebnisabführungsvertrag mit zehnjähriger Dauer abzuschließen. Das bedeutet, sämtliche Gewinne, aber auch Verluste, die der Tagesspiegel in den nächsten zehn Jahren verursachen würde, würde der persönlich haftende Heinz Bauer übernehmen. Dies käme einer Bestandsgarantie für den Tagesspiegel von zehn Jahren gleich. Stefan von Holtzbrinck hatte im Gegensatz dazu schon zuvor einen Ergebnisabführungsvertrag und damit eine Bestandsgarantie für die Dauer von 20 Jahren zugesichert.

Während der Verlag Axel Springer in der Anhörung abgesehen von mehrfachen Drohungen an den Minister, im Fall seiner Erlaubnis vor Gericht zu ziehen, keine neuen Argumente vorbrachte, wurden drei zentrale Punkte diskutiert. Zum einen ging es um die Attraktivität des Bauer-Angebots über 20 Millionen plus zehn Millionen Vertragsstrafe bei vorzeitiger Einstellung des Tagesspiegel. Hier warf Stefan von Holtzbrinck ein, dass im Fall der Einstellung des Tagesspiegel allein der Verkauf der Abonnentenkartei mehr Geld einbrächte, als Bauer für den gesamten Tagesspiegel zahlen würde. Pro Abonnent wären 500 Euro zu kalkulieren – rund 100 000 Abonnenten hat diese Zeitung.

Darüber hinaus befasste sich die Anhörung mit der Seriosität des Bauer-Angebots. Bauer bestätigte nochmals, dass er glaube, der Tagesspiegel sei aus den Defiziten zu führen, indem mehr Anzeigen für mehr Geld verkauft und die Auflage um rund ein Drittel erhöht würden, indem die Abdeckung der Haushalte, die eine Zeitung abonniert haben, von aktuell 22 Prozent auf 30 bis 40 gesteigert würde. Dies gelang zwar keinem der bisher in Berlin aktiven Großverlage, betonte Holtzbrinck. Doch Bauer hält noch 13 Jahre nach der Wende am Glauben fest, Berlin sei eine prosperierende Stadt, in der die vom Tagesspiegel angesprochene Zielgruppe der kaufkräftigen Bildungsbürger stetig wächst.

In einem weiteren Punkt wies Holtzbrinck auf das Gebaren Bauers hin, der „wie Phoenix aus der Asche“ wenige Tage vor der ursprünglich erwarteten Ministerentscheidung im Mai erstmals als Kaufinteressent auftauchte. Auch jetzt, wenige Tage vor der Anhörung, kündigte er plötzlich eine Nachbesserung an. Die Dauer des Veräußerungsverfahren war auf sechs Wochen befristet, bis zu diesem Tag sollten die endgültigen Angebote potenzieller Tagesspiegel-Käufer vorliegen. Alles Nachträgliche sei laut Holtzbrinck entsprechend Clements Vorgaben nicht zu berücksichtigen. Insbesondere Springer bezweifelt jedoch, ob das vom Bankhaus Sal. Oppenheim durchgeführte Veräußerungsverfahren überhaupt zulässig gewesen sei, zumal Holtzbrinck selbst den Tagesspiegel gar nicht verkaufen will.

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