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Medien: Gedankenspiele: Die WAZ-Gruppe und Bertelsmann

Kleine Jungs benehmen sich beim Spielen gern so: Der eine will, was der andere hat, der aber will es nicht hergeben. Höchstens dann, wenn das Objekt der Begierde sowieso schon ein paar Schrammen hat oder zum langweiligen Spielzeug geworden ist.

Kleine Jungs benehmen sich beim Spielen gern so: Der eine will, was der andere hat, der aber will es nicht hergeben. Höchstens dann, wenn das Objekt der Begierde sowieso schon ein paar Schrammen hat oder zum langweiligen Spielzeug geworden ist. Dann kommt auch bei kleinen Jungs Großmut auf. Und wenn sie ganz listig sind, beginnen sie zu handeln. Dann werden sie das angeschrammte Ding los und kriegen vielleicht dafür sogar noch etwas viel Besseres. So läuft das auch zwischen großen Jungs ab, ja, sogar zwischen Medienkonzernen.

Die Essener WAZ-Gruppe, die rund vier Milliarden Mark pro Jahr umsetzt und eines der renditestärksten Medien-Unternehmen der Republik ist, will ihre Beteiligung an der RTL Group loswerden. Es sind nur wenige Prozent, die der WAZ-Konzern hält - zu wenige, um etwas bewegen oder gar mitbestimmen zu können. Das Sagen hat dort einzig Bertelsmann, weshalb die Gütersloher sich auch nicht wirklich an dem Minderheitsgesellschafter aus Essen stören. Immer mal wieder klopften die WAZ-Männer bei Bertelsmann an. Gehör fanden sie keines.

Nun verhält es sich andererseits so, dass Bertelsmann gern seine Rendite weiter erhöhen möchte. Falls der mittlerweile deutsch-amerikanische Konzern in drei Jahren an die Frankfurter und New Yorker Börsen gehen sollte, wäre es von Vorteil, sich schon jetzt so zu entwickeln, dass es die Finanzmärkte mit Wohlgefallen verfolgen. Doch zurück zur WAZ-Gruppe. Die könnte bei dieser Entwicklung eine nützliche Rolle spielen. Dann nämlich, wenn Bertelsmann jene Objekte loswerden könnte, die schon einige Schrammen abhaben, die die Rendite sowieso nur belasten oder nicht ins Portfolio passen. Die Rede ist von Zeitungen und Zeitschriften der Hamburger Verlagstochter Gruner + Jahr. Dort erscheint zum Beispiel der Titel "TV Today", der zu spät auf den Markt kam, um in der Hoch-Zeit der vierzehntäglichen Programmzeitschriften mit abzusahnen. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht wie beim Bauer- oder Springer-Verlag, die eine ganze Palette an Programmzeitschriften herausgeben, Synergien zu nutzen sind. Weiterhin ist da die vor Jahren übernommene "Frau im Spiegel" - ein Blatt, das zur Regenbogenpresse zu zählen ist und damit bei G + J eine unvorteilhafte Alleinstellung für sich beansprucht. Ein Verlag, der weitere Yellow-Zeitschriften herausbringt, könnte "Frau im Spiegel" zu ganz anderen Kosten produzieren. G + J nicht.

Auf der anderen Seite steht die besagte WAZ-Gruppe, die eine ganze Reihe von Zeitungen herausgibt, sich intensiv in Osteuropa engagiert (das tut auch G + J) und zuletzt 75 Prozent vom Nürnberger Gong-Verlag übernommen hat. Dort erscheinen zum Beispiel die wöchentliche Fernsehzeitschrift "Gong" oder die Yellow-Zeitschrift "die zwei". Zusammen mit dem Tochterverlag Welt am Sonnabend, der weitere Frauenblätter herausgibt, wäre der Zuwachs durch die G + J-Titel nur von Vorteil: "TV Today", "Gala", "Frau im Spiegel" bedeuteten für die Zeitschriftenpalette des WAZ-Konzerns eine Aufwertung, die das Anzeigengeschäft fördern würde. Zudem könnten Synergien leicht genutzt werden. Noch sind alles Gedankenspiele, wie die "Süddeutsche Zeitung" gestern anmerkte. Doch sie sind logisch. G + J jedenfalls erneuerte am Freitag das Dementi, Zeitungen oder Zeitschriften des Verlages stünden zum Verkauf an die WAZ. Die Tatsache, dass sowohl "Frau im Spiegel" als auch "TV Today" zur Zeit überarbeitet werden, lasse nicht den Schluss zu, dass die Braut hübsch gemacht werde.

Doch Beobachter bestätigen: Die Freiheit des Hamburger Großverlages von der Gütersloher Mutter ist längst nicht mehr so groß wie unter dem früheren Vorstandschef Gerd Schulte-Hillen, der Jahr für Jahr die Gewinne des Verlages an Bertelsmann überwies - fünf bis sechs Milliarden summierten sich in seinen 19 Amtsjahren. Auch der Einwand, in Kürze würde der neue Zeitungsvorstand Achim Twardy seine Arbeit bei G + J aufnehmen, muss nichts heißen. Unterstellt, die WAZ-Gruppe würde die Zeitungen übernehmen und jenseits des Stammlandes Nordrhein-Westfalen weiter expandieren, könnte Twardy gleich mitwechseln. Schließlich hatte er sich bei der WAZ vorgestellt, bevor er bei G + J unterschrieben hatte.

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