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Medien: Kampf um Kids

„Bravo“ & Co. verschwinden von den Schulhöfen

Wer vor 20, 30 Jahren „Jugendmagazin“ sagte, dachte bestimmt zuerst an „Bravo“. Wer heute „Jugendmagazin“ sagt, denkt an – ja, an was eigentlich? Jedenfalls immer seltener an „Bravo“. Deutschlands Jugendmagazine verlieren insgesamt dramatisch an Auflage. Bei den Verlagen sucht man schon seit längerem Rezepte gegen das Versinken der Jugendtitel in der Bedeutungslosigkeit. Selbst die Flaggschiffe laufen auf Grund. „Bravo“, seit 1956 Marktführer und bis in die 90er Jahre mit über einer Million Lesern das Jugend-Organ schlechthin, ist mit am stärksten von der Auflagenerosion betroffen. Innerhalb eines Jahres verlor „Bravo“ rund 19 Prozent seiner Leser und verkauft sich am Jahresende im Durchschnitt nur noch rund 500 000 Mal. „Yam!“, das „Bravo“-Pendant des Axel-Springer-Verlags, büßte im Vergleich zum Vorjahr rund ein Drittel der Leser ein. Im November sank die Verkaufszahl erstmals unter 200 000.

Einfach nur ein bisschen Klatsch aus dem Showbusiness mit einer Prise Sex zu mischen genügt offenbar nicht mehr, um das abgesteckte Terrain auf dem Schulhof zu halten. Erklärungen gibt es viele. Jugendliche, die bis zum Jahr 2000 ihr Taschengeld noch hauptsächlich in Süßigkeiten und Zeitschriften steckten, kaufen heute lieber Handys und Klingeltöne. „Im letzten Jahr haben die Casting-Shows für einen Boom gesorgt, der sich so nicht wiederholt hat“, sagt Silvie Rundel, Sprecherin von „Yam“. Die Musikindustrie hat vergessen, Stars aufzubauen. Damit fehlt den Jugendmagazinen der Stoff, der die Jugend neugierig-begeistert zum Kiosk rennen lässt.

Zunehmend sollen darum nicht mehr nur Personen aus dem Soap und Musikbereich den Promihunger der Teenager stillen, sondern auch Sportler und Models. Die Not ist so groß, dass „Yam!“ in Zukunft selbst auf die „Royals“ und Themen wie Psychologie und Umweltschutz zurückgreifen will. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis neue Trends auftauchten, gibt man sich bei „Yam!“ optimistisch und klammert sich solange an Comedy–Stars wie Oliver Pocher.

Bedrängt werden Jugendtitel auch durch junge Frauen- und Männermagazine. Das Feld, auf dem sich „Yam!“ und Co. ausbreiten wollen, die Berichterstattung über Promis aus Mode und TV, wird von „Vogue“ oder „Glamour“ schon hinreichend und besser abgedeckt. Auch die Monopolstellung in Sachen sexuelle Aufklärung frühreifer Teens muss Bravo längst mit Titeln wie „Men’s Health“ teilen, die kompetenteren Rat im Umgang mit dem anderen Geschlecht versprechen.

Auch das Fernsehen, das immer attraktiver für Jugendliche wird, zieht den Magazinen die Leser ab - und nicht nur die: Wichtige Werbekunden, wie die Anbieter von Klingeltönen und Logos, schalten ihre Anzeigen und Spots immer mehr im Fernsehen. Von Januar bis Oktober diesen Jahres hat „Bravo“, das in der Vergangenheit wie andere Jugendtitel von der Sonderkonjunktur der Telefonanbieter profitierte, rund ein Viertel weniger Anzeigen verkauft. „Yam!“ verzeichnet hier ein Minus von 28 Prozent.

Trotz allem gibt es noch Mut für Neugründungen: Die „Cultfish Entertainment“, im Februar 2000 von Egmont Ehapa als Dachmarke für Magazinprojekte wie „Top Of The Pops“ und „Go Girl“ gegründet, lancierte Anfang 2004 das Mädchenmagazin „Chika“ mit einem Anfangsverkauf von rund 128 000 Exemplaren. „Cultfish“ konnte bisher mit Titeln punkten, die sich stark an TV-Formate wie „Big Brother“ und „Popstars“ anlehnen.

Doch auch „Cultfish“ ist, wie alle Macher von Jugendpostillen, Sklave des Trends, der den Jugendmagazinen davon läuft. Bei „Chika“ purzeln nach steilem Anstieg im zweiten Quartal die Verkaufszahlen auf zuletzt 116 000. Vielleicht wird es wie „POP/ROCKY“, „Hit“ und viele andere Blätter, deren Namen wir längst schon vergessen haben, wieder von der Bildfläche verschwinden. Denn mehr Verlass als auf eine Besserung der Markt-Situation ist selbst auf das „Bravo“-Horoskop. Das gibt es genauso wie vor 30 Jahren.

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