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Sieht gut aus. Aber: HD-Fernsehen unterliegt auch vielen Einschränkungen, von Vorspulsperren bis zu Verschlüsselungen, die es unmöglich machen, auch nur eine digitale Szene aus Fernseher oder Receiver heraus auf DVD oder externen Computer zu kopieren. Foto: picture alliance

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Schöne neue Fernsehwelt: Gefangen in der Box

Die digitale Fernsehwelt und ihre Grenzen – was man wissen sollte, wenn man sich zu Weihnachten erstmals auf HD-Fernseher, Receiver und Recorder einlässt.

Was für ein Fernsehgenuss: LED-Bildschirm, 101 Zentimeter quer, Full HD, 1080 Pixel Bildauflösung, integrierter HD Triple Tuner, dreimal HDMI, dreimal USB, dazu noch ein Receiver vom Kabelanbieter, der die hochauflösenden Bilder ins Haus bringt – ein x-beliebiges Werbeangebot aus diesen Tagen, für rund 600 Euro. Ein tolles Weihnachtsgeschenk. Man denkt: Mit dem Fernseher bin ich Herr aller Bilder. Und Aufnahmen. Demnächst steht ein Archiv-Regal an, um all die DVDs mit Filmen und Serien, aufgenommen und ausgewählt aus 200 digitalen Kanälen, daheim unterzubringen, wie mit Videokassetten früher. Was wenige wissen: HD-Aufnahmen unterliegen vielen Einschränkungen, von undurchsichtigen Dateiformaten über Vorspulsperren bis hin zu Verschlüsselungen, die es unmöglich machen, auch nur eine einzige digitale Szene aus Fernseher oder Receiver herauszukopieren, auf DVD oder PC-Festplatte. Da helfen keine drei USB-Anschlüsse.

Schuld sind, ganz allgemein gesagt, die Vorgaben der Filmindustrie. „Die Verschlüsselung von hochauflösenden digitalen Fernsehprogrammen beziehungsweise Videos bei privaten Programmangeboten ist eine Reaktion der Industrie, vor allem der Filmindustrie und der entsprechenden Rechteinhaber, auf die bekannte Problematik illegaler Raubkopien im Internet“, sagt Michael Schidlack vom Branchenverband Bitcom. In der Regel seien es auch nicht die Netzbetreiber (wie Kabel Deutschland), privaten Sendeanstalten oder Gerätehersteller, die das Kopieren beschränken wollen. „Meist sind es vertragliche Verpflichtungen, die aufgrund der Vorgaben der Filmindustrie eingegangen werden müssen.“

Darauf verweist auch Kabel Deutschland, der größte Kabelnetzbetreiber hierzulande, mit dem Bezug auf die Nöte mancher Kabel-HDTV-Gucker, die sich gerne mal „GZSZ“ oder den Spielfilm auf HD aufnehmen wollen. Die Mediengruppe RTL Deutschland fordere einige Einschränkungen bei der Aufnahme von HD-Inhalten. „Das betrifft die Sender RTL HD, RTL II HD, VOX HD, Super RTL HD und RTL Nitro HD“, sagt Sprecher Klaus Rosenkranz. Daher sei es vorerst nicht möglich, über ein CI+ Modul (das im modernen Fernsehgerät als interne Schnittstelle einen externen Receiver samt Smartcard und Kabelsalat erübrigt) – in Verbindung mit einem Fernsehgerät mit Festplatte – HD-Sendungen der RTL-Gruppe aufzuzeichnen. Immerhin, seit dem 17. November wird auf den von Kabel Deutschland vertriebenen digitalen HD-Recordern der Marke Sagemcom eine neue Software ausgerollt. Das soll diese Woche abgeschlossen sein. Dann können wieder alle HD-Sender der Mediengruppe RTL aufgenommen werden – allerdings: das Vorspulen von aufgenommenen HD-Sendungen bei RTL ist nicht möglich. Schließlich soll ja die Werbung mit geguckt werden.

Schöne neue HD-Fernsehwelt also, mit Hürden, bei jeder Funkausstellung beschworen. Der Vorteil: Hochauflösendes Fernsehen, kurz HDTV, bietet eine wesentlich höhere Detailauflösung und Bildqualität als DVD oder VHS-Kassette. Das ist fast Kinoqualität. Jede digitale Kopie ist deshalb so gut wie das Original. „Bei einer unverschlüsselten Übertragung oder einer offenen und für alle Zwecke nutzbaren digitalen Aufzeichnung“, so Schidlack, „bestünde die Gefahr der illegalen Verbreitung. Enorme finanzielle Schäden wären möglich.“ Insofern sei es ein verständliches Interesse der Rechteinhaber, die Verbreitung illegaler Kopien zu verhindern oder möglichst zu erschweren. Würde man stattdessen auf solche Maßnahmen verzichten, würde das den Rechteeinkauf von Filmübertragungen entweder komplett verhindern oder zumindest derart verteuern, dass im Ergebnis viele Filme nicht mehr im Fernsehen übertragen werden könnten. Zu solchen Maßnahmen gehört es auch, dass die von Kabelanbietetern zur Verfügung gestellten Wiedergabe- und Aufnahmegeräte in der Regel eine 220-Gigabyte-Festplatte verbaut haben, was gerade mal 80 Stunden HD-Fernsehen entspricht. Neuere Geräte bieten ein Terabyte Speicherplatz an. Da gerät der Serien- und Filmfan an seine Grenzen.

Wer sich dann aber seine Bedienungsanleitung anschaut, und Filme via USB-Kabel auf seinen Computer übertragen will, merkt spätestens jetzt, dass das nicht funktioniert. Motto: Was in die Box reingeht, darf zwar angeschaut werden, aber diese nicht mehr verlassen. Wenn das herkömmliche SD-Verfahren in ein paar Jahren eingestellt und nur noch in HD ausgestrahlt und empfangen wird, befürchten Kritiker die schleichende Umwandlung auch des Privatfernsehens in eine Art Pay-TV. „Der komplette Wechsel auf HD würde ein Ende der unverschlüsselten Übertragung von RTL & Co. bedeuten“, sagt Nico Jurran vom Computermagazin „c’t“. Das befürchten auch Verbraucherschützer: „Möglicherweise ist es der langsame Versuch, Pay-TV zu etablieren, ohne jedoch den Begriff dabei in den Mund zu nehmen“, sagt Michael Gundall von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Wenn es den Sendern nur um den Kopierschutz ginge, könnte man diesen auch im Sendesignal integrieren.“

Vielleicht sind die Probleme mit HD-Wiedergabe und -Aufnahme und geschlossenen Systemen aber auch irgendwann obsolet. Ähnlich wie bei den Audioformaten, deren Rezeption und Geschäftsmodelle immer mehr auf Streaming-Musik-Diensten wie Spotify oder Amazon Cloud beruhen, kann es auch in fünf Jahren so weit sein, dass die Programminhalte, die schönen Filme und Hochglanzserien, woanders verfügbar sind als bei den klassischen Broadcastern wie RTL und Kabel Deutschland. Aus Sicht der Nutzer: Weg vom Besitz der DVD, weg vom Archiv, hin zur reinen Nutzung aus der Internet-Datenwolke, der Cloud, die den Film oder die Serie an jedem Ort der Welt jederzeit via Netz zur Verfügung stellt. Was das dann kostet, steht auf einem anderen Blatt.

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