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Medien: Wer hat den Journalismus erfunden?

Die neuen Chefs von „Welt“ und „Berliner Morgenpost“ sollen das Profil der fusionierten Zeitungen schärfen

Früher wurde gespottet, es gehöre wohl zum guten Ton deutscher Medienunternehmen, sich mindestens einen Österreicher zu halten. Überall zogen sie ein und untermauerten das Gerücht, Österreicher seien irgendwie kreativer als Deutsche. Mittlerweile lässt sich das auf die Schweizer ausweiten. Angefangen hat es, als Urs Rohner Pro 7-Chef wurde; gerade kam mit dem Sat 1-Chef Roger Schawinski wieder ein Schweizer; am 25. März startet der Schweizer Verleger Michael Ringier, der seinerseits schon immer gern deutsche Journalisten in seinen Verlag nach Zürich holte, in Potsdam das elitäre Magazin „Cicero“. Und jetzt kommt schon wieder ein Schweizer mit dem Vornamen Roger nach Berlin: Im Mai, spätestens im Juli, wird Roger Köppel Chefredakteur der „Welt“.

Am Mittwoch war beim Verlag Axel Springer Vorstandssitzung. Gestern Morgen schickte dann Jan-Eric Peters, Chef der unter ihm fusionierten und ausgedünnten Redaktionen von „Welt“ und „Berliner Morgenpost“, eine Mail „an alle“: Es gebe da etwas zu verkünden. Anstatt der kleinen Gruppe von Ressortleitern und Blattmachern kamen also 100, manche schätzen gar 150 Redakteure zur Themenkonferenz. Peters und Herausgeber Dieter Stolte wurden begleitet von Vorstandschef Mathias Döpfner, der die Botschaft genau eine Woche vor der Bilanz-Pressekonferenz am kommenden Donnerstag überbrachte: Peters ist und bleibt zwar Chefredakteur von „Welt“ und „Berliner Morgenpost“. Ihm untergeordnet, wenn auch mit demselben Titel auf der Visitenkarte, kommen mit Carsten Erdmann und Roger Köppel zwei weitere Chefredakteure nach Berlin. Erdmann, 37, wird Chef der „Morgenpost“; Köppel, 38, wird Chef der „Welt“. Und wenn der Vertrag von Dieter Stolte, 69, am 31. März 2005 abgelaufen ist, wird Jan-Eric Peters, 38, zusätzlich Herausgeber beider Blätter.

Um mit Stolte anzufangen: Der langjährige ZDF-Intendant, der vor drei Jahren bei Springer antrat, um in der Funktion eines Herausgebers für „Welt“ und „Berliner Morgenpost“ den „Außenminister“ zu geben, hat in der Öffentlichkeit nicht immer eine gute Figur gemacht. Bei Springer hat man sich kollektiv die Haare gerauft, als sich Stolte im Frühjahr 2003 bei der ersten Ministeranhörung im Holtzbrinck-Verfahren um Tagesspiegel und „Berliner Zeitung“ total verhedderte und sagte, für die „Welt“ gebe es keinen Bestandsschutz mehr bei Springer, da der Verlag an die Börse strebe. Springer musste heftig zurückrudern, um diesen Verplapperer zu korrigieren.

Offiziell heißt es bei Springer zur Ernennung der beiden zusätzlichen Chefredakteure, dies sei eine „Feinjustierung des Projekts Alpha“. Projekt Alpha nannte Döpfner damals die redaktionelle Fusion von „Welt“ und „Mopo“ bei gleichzeitigem Abbau von rund 550 auf 350 Stellen. Das habe sich wirtschaftlich und publizistisch bewährt, insistiert Springer. Eine Entflechtung der Redaktion stünde nicht zur Debatte. „Wir wollen dadurch die publizistische Akzentuierung der beiden Zeitungen weiter verstärken“, sagt Peters. Der Vorteil der beiden neuen Chefs bestehe auch darin, dass sie im Gegensatz zu ihm rund um die Uhr als Ansprechpartner für die Redaktion anwesend sein könnten.

Die „Berliner Morgenpost“ verkauft aktuell 152 741 Exemplare, wobei die Abo-Auflage im Vergleich zum Vorjahr um 10 000 sank und die sonstigen Verkäufe um 11 700 wuchsen. Die „Welt“ verkauft 202 168 Exemplare (minus 4,1 Prozent). Mit dem schwierigen Berliner Markt, dem eingeschränkten Abo-Marketing und dem höheren Verkaufspreis der „Welt“ hinge der Auflagenrückgang zusammen, aber bestimmt nicht mit inhaltlichen Schwächen, behauptet Springer.

Erdmanns Aufgabe bei der „Mopo“ ist leicht zu erkennen. Er ist durch und durch Lokaljournalist, einer „mit Herz und Blut“, sagt Peters. Die beiden kennen sich aus der Zeit, als Döpfner Chef der „Hamburger Morgenpost“, Peters sein Stellvertreter und Erdmann Lokalchef war. Seit 1998 ist Erdmann Chef der Hamburg-Ausgabe der „Welt“. Dem „Weltwoche“-Chefredakteur Köppel bescheinigt Peters ein „hohes Themengespür und Qualitätsbewusstsein“. In der Praxis soll es so sein, dass Peters über allem wacht, das operative Geschäft, also das Blattmachen, aber Erdmann und Köppel überlässt. Die drei amtierenden stellvertretenden Chefs bleiben für beide Titel zuständig. Es ist also eine ähnliche Konstruktion wie bei „Bild“ und „Bild am Sonntag“, wo der „Bild“-Chef zugleich Herausgeber der „Bild am Sonntag“ ist, sagte Döpfner in der Konferenz am Donnerstag.

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