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Positionen: 150 Euro Betreuungsgeld reichen nicht

Die Politik kümmert sich zu viel um Kitas – und zu wenig um Eltern

Dem Wirtschafts- und Bildungsstandort Deutschland droht 2013 ein herber Rückschlag! Die Unionsparteien wollen dann ihr neues Betreuungsgeld einführen. 150 Euro im Monat, wenn Eltern ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr selbst betreuen wollen. „Eine Katastrophe“ – meinen Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbände und Fachleute. Die dafür notwendigen zwei Milliarden Euro seien beim Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung besser aufgehoben.

Damit ist allerdings die zentrale Begründung des Vorhabens nicht zu entkräften. Es geht um den Verfassungsauftrag, Eltern die Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung in ihren „tatsächlichen Voraussetzungen“ zu ermöglichen – selbst wenn Freiheit bekanntermaßen stets mit Missbrauchsrisiken verbunden ist. Genau hier droht nach Ansicht der Frankfurter Juraprofessorin Ute Sacksofsky den Eltern Gefahr. Schon heute würde der Staat die familiäre Kinderbetreuung erheblich subventionieren etwa durch das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Krankenmitversicherung. Das Betreuungsgeld bedeute somit die weitere „Belohnung“ für ein ganz bestimmtes Familienmodell – also faktisch den staatlichen Versuch einer Verhaltenssteuerung der Eltern.

Eine höchst originelle und gern zitierte Sichtweise, die aber die Wirklichkeit auf den Kopf stellt. Tatsächlich waren sich SPD und CDU schon 2006 einig darin, dass die wirtschaftliche Lage junger Familien mit selbst betreuenden Eltern miserabel sei. Trotz der bestehenden familienpolitischen Leistungen, also auch des (damaligen) Erziehungsgeldes von monatlich 300 Euro. Familiengründungen bewirkten Einkommenseinschränkungen, „die vor allem durch Erwerbsunterbrechungen verursacht werden und die sich im Vergleich der Einkommen von Eltern und kinderlosen Paaren und im Vergleich der Einkommen von Müttern und kinderlosen Frauen oft zu unaufholbaren finanziellen Nachteilen entwickeln und Armutsrisiken vergrößern“.

Gerade Alleinerziehende mit Kindern unter drei Jahren und kinderreiche Familien haben eine besonders hohe Armutsquote. Genau deshalb hatte die große Koalition 2006 das Elterngeld beschlossen. Die wirtschaftliche Absicherung der betreuenden Eltern beschränkt sich aber auf maximal 14 Monate. Die finanzielle Lücke bis zum dritten Lebensjahr des Kindes lässt demnach Eltern wieder abstürzen, wenn sie nicht für zusätzliches Erwerbseinkommen sorgen. Mit dem Betreuungsgeld soll dieser Zwang angeblich entfallen und dadurch die Wahlfreiheit der Eltern „gestärkt“ werden.

Dafür ist das Betreuungsgeld mit seinen monatlich 150 Euro allerdings mehr als bescheiden dimensioniert – vor allem im Vergleich zur Subvention für einen Krippenplatz. Laut einem Gutachten der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen muss jeder Betreuungsplatz für unter Dreijährige mit 60 Prozent bezuschusst werden – und zwar selbst, wenn man die Steuern und Sozialbeiträge der Mütter einrechnet, die wieder erwerbstätig sein können. Unterm Strich rund 750 Euro an Krippensubvention im Monat.

Aber nicht nur an dieser Stelle verfehlt das Betreuungsgeld-Konzept die Lebenswirklichkeit. Tatsächlich können sich viele Eltern eine dreijährige Elternzeit mit Blick auf ihren Arbeitsplatz gar nicht leisten. Deshalb hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem spektakulären „Kinderbetreuungsurteil“ von 1998 nicht nur verbesserte „Angebote der institutionellen Kinderbetreuung“ verlangt. Auch die „Rückkehr in eine Berufstätigkeit ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile einschließlich eines beruflichen Aufstiegs während und nach Zeiten der Kindererziehung“ müsse ermöglicht werden.

Auf diese elternfreundlichen Korrekturen der Arbeitswelt warten die meisten Mütter und Väter indes bislang vergeblich. Der beschäftigungsfördernde Krippenausbau ist da genauso wenig eine Antwort darauf wie das versprochene Betreuungsgeld.

Der Autor leitet das Heidelberger Büro für Familienfragen.

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